Wir sind dann mal weg ...

2. Juli 2018

 

Endlich Winterferien! Also schnell allerlei Leckereien für unterwegs gekauft, die Katze bei Freunden abgegeben, das Auto einmal durchgecheckt und dann auf in die unbekannte Weite Boliviens!

Unsere erste Station hieß Totora, ein Bergdorf auf 2.800 Metern in der Gebirgskette der Cordillera Oriental am Oberlauf des Río Sauces. Die rund 2.000 Einwohner dort sprechen hauptsächlich Quechua, eine der zusammen mit Aymara am weitesten verbreiteten, indigenen Sprachen Boliviens. Dementsprechend war es eine recht große Herausforderung für Daniel, am Abend Brot, Käse und Wurst kaufen zu gehen, um die kränkelnden Kinder aufzupäppeln, die mit Miriam im Hotel geblieben waren.

Apropos Hotel: Es gab zwar ein Zimmer mit drei Betten, aber die Dusche funktionierte angeblich nicht wegen Stromausfalls (das Dorf war allerdings hell erleuchtet). Nach beharrlichem Nachhaken wurde plötzlich doch noch ein Zimmer frei, das sich als Wohnung der Besitzerin herausstellte. Die war aber gerade auf Reisen und so zogen wir dort ein.

Am nächsten Morgen ging es dann auf direktem Weg nach Samaipata - Backpackers Paradise. Ein Restaurant besser als das andere: türkische Gözleme, argentinische Pizza und Rinderfilet vom Holzkohlengrill. Die Unterkunft: Der architektonische Traum eines bolivianisch-holländischen Ehepaares, das sich über den Hügeln der Stadt ein paar Hektar Land gekauft hatte und dort ein Hostel der Extraklasse betreibt. Angekommen und auskuriert.

From : Samaipata to : Santa Cruz

9. Juli 2018

 

Die Tage gingen ins Land, garniert mit Ausflügen zu umliegenden Wasserfällen, einer Wildtier-Aufzuchtstation und - sozusagen als krönendem Abschluss - einem Besuch bei Gerhard Griese. Ein Metzgermeister aus Neumünster vom alten Schlage, der sich vor 35 Jahren der Liebe wegen mit seinen Wurstmaschinen der Marke Kilia auf den Weg nach Samaipata machte. Haus gebaut, Maschinen rein per Flaschenzug, Dach drüber - feddich war die Laube.

Eine lokale Persönlichkeit, mindestens genauso bekannt und mutig wie Che Guevara, der einst herkam, um in den umliegenden Gemeinden die Landbevölkerung zum Aufstand zu bewegen. Leider scheiterte sein Unternehmen, die CIA und bolivianische Soldaten stöberten ihn und seine Getreuen in der Nähe von Samaipata (genauer gesagt in La Higuera) auf und - der Rest ist Geschichte.

Anders Gerhard und seine Revolution des Geräucherten: Er führte erfolgreich Leberwurst, Holsteiner Schinken, Speck, Salami, Mettenden und das ganze andere leckere Zeuch aus unserem Norden in Bolivien ein, seine Produkte gibt es mittlerweile in jedem gutsortierten Supermarkt des Landes zu kaufen.

Beim Anblick von zwei blonden Möpels vanne Woterkant mit zwei Latina-Deerns an der Seite bekam er sofort ganz glänzende Augen. "Snackt ihr op Platt?" war seine Begrüßungsfrage. Ob er denn Wurst da hätte, unsere Antwort. "Klaar!" seggt he. Daraufhin verschwand er kurz und kam schwer beladen zurück, ein Korb voller Köstlichkeiten im Arm. Dann drehte der 74-jährige Wurstmeister auf, es ging zu wie auf dem Fischmarkt in Hamburch, zackzack, und wir hatten den Wagen voller Pökelzeuch. Schwer nach Buchenrauch müffelnd ging es auf nach Santa Cruz zur Familie.

 

Dort hatte der bolivianische Winter Einzug gehalten. Bei "nur" 15 Grad bibberten die knapp zwei Millionen Einwohner der größten Stadt Boliviens vor sich hin. Trotz der widrigen Umstände konnten wir Oma Sara dazu animieren, mit uns zu einem Wasserfall in der Nähe zu fahren, wo sich Daniel von den umliegenden Felsen in die Tiefe stürzte. 

Am Wochenende war dann Party angesagt: Erst Barhopping am Sonnabend mit Miriams Geschwistern, dann am Sonntag das große Familien-Barbecue, bei dem die Anwesenden mal eben 4 kg Rinderfilet, 2 kg Chorizo und diverse Hähnchenkeulen verspeisten, garniert mit einer Flasche siebenjährigem Rum und Unmengen an eisgekühltem Bier. Das Ganze um zwölf Uhr mittags. Na denn Prost!

Tropen de luxe trotz "El Sur"

16. Juli 2018

 

Die Idee war gut: Miriam hatte Daniel zum Geburtstag zwei Tage im Wellness-Ressort um die Ecke von Sara und Adolfo in Santa Cruz geschenkt und beim Buchen Bikini-Wetter und exotische Cocktails am Pool im Sinn gehabt.

Doch "El Sur" machte uns einen Strich durch die Rechnung: So nennt man eine regelmäßig im Winter in Santa Cruz auftretende Kaltfront, die neben starken Winden aus dem Süden auch Regen und niedrige Temperaturen mit sich bringt. Dabei kann man die interessante Erfahrung machen, bei 15-20 Grad Außentemperatur zu frieren. Normalerweise sind das angenehme Temperaturen, aber durch die hohe Luftfeuchtigkeit wird die Kälte verstärkt, so dass man tatsächlich vom "Winter" in den Tropen sprechen kann.

Aus dem Sonnenbaden wurde also leider nichts. Stattdessen gingen wir in die Sauna und schlürften heißen Tee in unserer Penthouse-Suite. Die Kids blieben zum ersten Mal alleine bei den bolivianischen Großeltern und hatten eine ziemlich gute Zeit. Dann ging es zurück nach Cochabamba mit zwei weiteren Zwischenstopps.

 

Nach nur zwei Stunden Autofahrt erreichten wir das schöne Dorf Buena Vista, direkt am Nationalpark Amboro gelegen. Zu unserer großen Überraschung wartete hier ein Schweizer Restaurant auf uns, wo wir Zürcher Geschnetzeltes und Café de Paris-Butter genossen.

Bei unserer letzten Urlaubsstation in Villa Tunari waren endlich alle wieder fit und Action angesagt: Per Seilbahn ging es über den Fluss und dann hinein in den Nationalpark Carrasco, wo wir Fledermäuse in ihrer Höhle besuchten und zahlreiche Ameisenstraßen kreuzten. Nach zwei Wochen Roadtrip kamen wir anschließend wohlbehalten wieder in Cochabamba an.

Hochzeit a la boliviana

23. Juli 2018

 

Halbjahreszeugnisse bei Leonie und Luka, mit Spannung erwartet, und dann der Hammer: Beide Kinder wurden für ihre außergewöhnlichen schulischen Leistungen mit der Bronzemedaille ihrer Jahrgangsstufe ausgezeichnet. Wow! Vor allen Dingen in den Unterrichtsfächern Mandarin-Chinesisch, Schach und Reggaeton – Bestnoten!

Jetzt mal im Ernst: Wir waren ob eines solchen Ergebnisses einfach sprachlos, denn nach einem Schulwechsel mitten im laufenden deutschen Schuljahr, mit Englisch als Unterrichtssprache und lauter Spanisch sprechenden Mitschülern und Mitschülerinnen hätte das Ganze auch komplett nach hinten losgehen können. Aber im Gegenteil: Beide fühlen sich pudelwohl in ihrer neuen Schule und verlassen jeden Morgen singend das Haus, wenn der Schulbus davor hält. Jetzt müsste es nur noch mit den neuen Freunden und Freundinnen klappen, aber das geht leider nicht so einfach wie in Hamburg: Man hängt hier am Wochenende vielmehr mit der Familie ab und Verabredungen sind eher selten. Wir bleiben dran.

Ansonsten stand die erste bolivianische Hochzeit ins Haus, also eher gesagt bolivianisch-deutsch: Benedict, ein GIZ-Kollege von Miriam, heiratete seine Sandra. Bei der katholischen Messe fiel eigentlich nur der Pfarrer aus dem Rahmen, der beständig breit grinsend über die Liebe lamentierte und dabei aussah wie Graf Zahl aus der Muppet-Show. Anschließend ging es zum Drohnen-Fotoshooting in den Park und dann zur großen Hochzeitsgala in ein Landhaus mitten in der Stadt. Die Musiklautstärke und die Größe der Boxen erinnerten ein wenig an Scooter im Volksparkstadion und das Buffet wurde von einer sich vor Herzschmerz windenden Mariachi-Band an die Wand gespielt. Unser Geschenk, ein Serrano-Schinken aus Tarija, kam trotzdem richtig gut an, obwohl es der gute alte bolivianische Brauch vorsieht, dass die Hochzeitsgäste munter Geldscheine an Braut und Bräutigams Revers bzw. Dekolleté heften. Es gab Bier zum Selbstzapfen (Bene ist Dortmunder ...) und die deutsche Familie wurde per Skype zugeschaltet. Nachdem die Rum- und Singani-Flaschen auf den Tischen aufploppten, hielt auch die schüchternste Cholita nichts mehr auf ihrem Sitz und es wurde getanzt bis in den Morgengrauen.

Workshop-Trip nach Tarija

30. Juli 2018

 

Um von Sucre aus mit dem Auto nach Tarija zu gelangen, braucht man gar nicht erst loszufahren, wenn man noch am selben Tag ankommen will. Also machte sich Daniel mit dem Flugzeug auf zu seinem ersten Workshop zum Thema „Konfliktsensitiver Journalismus“ mit 35 bolivianischen Journalisten und Journalistinnen.

Doch das war leichter als es schien: Gerade an jenem Tag gab es leider keine Direktflüge, und so musste er mit seiner Kollegin Britta erst einmal quer durchs Land nach La Paz fliegen. Auf nur 8.000 Metern Flughöhe sind einem die Anden so nah. Schneebedeckte Höhen, hier und da eine unbekannte Seilschaft, die sich ihren Weg zum Gipfel der Sechs- bis Siebentausender bahnt. Manchmal winkt jemand. Und automatisch winkt man zurück, obwohl die Flugzeugfenster viel zu klein sind, als dass sich ein Blickkontakt herstellen ließe.

Kurz das Flugzeug wechseln und wieder quer durch Bolivien, bis der Papst als Pappmachéfigur grinsend vom Hügel neben der Landebahn grüßt – Tarija. Stadt des Weines, des Müßiggangs, der Zuckerkringel und des mediterranen Klimas. Wo man auch hinschaut, überall scheinen die locals bei einem gut abgehangenen Stück Serrano-Schinken das eine oder andere Glas Wein zu schwenken. Doch Wein ist Wein, und Workshop ist Workshop.

Eine illustre Schar Journalisten gab sich da ein Stelldichein: Von der Andensonne verknitterte, hauptsächlich Quechua sprechende Cholitas und Lokalreporter aus der Minenstadt Potosí; eine als „extremistas“ verschriene Schar von Feministinnen, die sich beim näheren Hinschauen als freundlich lächelnde Gruppe entspannter Amazoninnen herausstellte; drahtige Cowboys aus dem Chaco, die vor allem die dort vorherrschende Sprache der indigenen Guaraní sprechen; Kollegen aus Tarija, von denen einer aus lauter Freude die Hymne seiner Heimatstadt anstimmte; und aus Sucre, die bei näherem Hinsehen vor allem die Sonne des Südens genossen. Alles in allem eine positive Veranstaltung, die Fortsetzung findet dann – verkehrstechnisch ein Katzensprung – in Sucre statt.

Peace n' Punks

6. August 2018

 

In Ermangelung anderer Themen hier der erste Teil eines Fortsetzungsromans, dessen Titel noch gefunden werden muss - zum Ausschneiden und Sammeln:

 

"Als Entwicklungshelfer friste ich ein karges Leben. Mit meinem Andenmädchen und unseren zwölf Kindern leben wir fast nur von dem, was die trockene Ackerfurche hergibt. Oft wandert die Knolle ungeschält und roh direkt in den Mund. Wasser gibt es nur, wenn der Gletscher kalbt. Unter diesen Umständen sind 30 Urlaubstage der kleine Luxus, der uns monatlich zusteht. Wir machen uns auf in den Süden mit unserem Ochsenkarren, denn hier ist es mit 25 Grad im Schatten ganz schön frisch geworden. Es bleibt uns keine andere Wahl. Ich melde mich von unterwegs. Wünscht mir und uns Glück, dass die Hotels einen Pool haben. Ahoi und Brause!"

Lautmalerische Stille

13. August 2018

 

„Es ist eine Frage der Geduld, seiner Zunge Zeit zu geben, sich zu akklimatisieren, sich zu dehnen und zu strecken nach den gaumennahen, den kehlig asthmatischen Lauten.“

(Der Weltensammler, Ilija Trojanow)

 

„Mayk’a watayuqtaq kanki? -

Ñuqa tawa chunka iskayniyuq kani“

 

Die Entscheidung, das Esperanto Lateinamerikas zu erlernen, hatte Daniel eigentlich schon in Deutschland getroffen, als klar wurde, in welche Breitengrade sich die Seemänner aufmachen würden. Von mehr als sieben Millionen Menschen in sieben südamerikanischen Ländern gesprochen, gehört Quechua (deutsch: Ketschua) zu den am weitesten verbreiteten indigenen Sprachen im Andenraum.

De facto eine Gruppe eng miteinander verwandter Sprachvarianten, wurde sie schon im Reich der Inka zur populärsten Sprache („lingua franca“). In Bolivien, Peru und Ecuador wurde sie mittlerweile offiziell zur Amtssprache erklärt. Für Leonie und Luka gehört Quechua zum Lehrplan der Internationalen Schule schon fast wie selbstverständlich dazu.

Nicht so bei Daniel. Seine Lehrerin Veronica meinte nach der dritten Doppelstunde, er sei der langsamste Schüler, den sie je hatte. Mit einem Lächeln natürlich. Trotz der Stille, die die beiden umgab, wenn Daniel einmal wieder nach den richtigen Worten suchte, um banale Dinge wie "Ich komm aus Hamburch" oder "Meine Frau heißt Miriam" auszusprechen. Latein war schon schlimm damals. Aber Quechua hört sich an und spricht sich wie eine Sprache von einem anderen Stern.

Bei den Inkas „Menschensprache“ genannt, gehört sie in Bolivien zum guten Ton, wenn man über das übliche Spanisch-Gebrabbel hinaus mit den indigenen Einwohnern des Landes in Kontakt treten will. Abgesehen davon, dass viele von ihnen sich nach wie vor weigern, die Sprache der ehemaligen Besatzer zu sprechen. Respekt.

Es kommt so anders als man denkt ...

20. August 2018

 

Man muss auch mal was Verrücktes machen – das hat Daniels Großvater Paul Zeit seines Lebens immer gesagt. Und gelebt. Wie das Schicksal so spielt, hielt Bolivien genau die Situation bereit, um das in die Tat umzusetzen, was er damit meinte: Ganz unerwartet das nicht ganz Alltägliche möglich machen.

Niemand anderes als die großen Maná hatten sich für ein Konzert angekündigt – leider in La Paz. Nun liegt der Regierungssitz Boliviens von Cochabamba aus gesehen nicht unbedingt um die Ecke, aber egal: Tickets gekauft, Flüge gebucht, die Babysitterin für eine Nacht shanghait und nix wie hin.

Allerdings hatten wir die Rechnung ohne die Booking-Agentur mit dem schicken Namen SUPERTICKET gemacht: Dummerweise hatte da jemand etwas falsch verstanden und in der Pressemitteilung statt einer 19 eine 17 in die Tastatur gehauen – mit fatalen Konsequenzen. Alle Radiostationen, TV-Sender und Tageszeitungen übernahmen die Meldung unbesehen und jubilierten den 17. August als Konzerttag daher. Selbst die Plakate allerorten trugen das falsche Datum. Bis am Abend vorher dann das Kommunikations-Desaster aufflog: Nicht am Freitag, sondern am Sonntag sei das Konzert geplant, hieß es. WTF.

Nun ja, einmal in La Paz war der Entschluss schnell gefasst: Das Geld für die Tickets zurückholen und in einem der besten Restaurants der Stadt verprassen. Das trug passenderweise den Namen einer für ihre Völlerei weltbekannten Stadt – Vienna! Gegründet vor 25 Jahren von einem waschechten Österreicher und mit einer Speisekarte, die mondäner kaum hätte sein können.

Ein Pianist klimperte im Hintergrund leise Evergreens, schwere Ölgemälde grüßten von den Wänden und allenthalben stand oder lag üppig Porzellan auf den Anrichten. Zusammen mit drei holländisch-bolivianischen Freunden, die dasselbe Schicksal ereilt hatte wie uns, ließen wir also Don Teo, unseren wieselflinken Herrn Ober, auftragen, was die Küche zu bieten hatte.

Anschließend verschwanden wir in einer rauchgeschwängerten Absteige namens „Gota de Agua“ irgendwo im Straßenlabyrinth der Stadt, wo vom Singani völlig Breitgetrunkene sich torkelnd aneinander festhielten und eine die Heiligkeit der Kokapflanze besingende Frauen-Panflöten-Trommel-Gruppe den Beat vorgab.

Eigentlich also ein sehr besinnlicher Abend alles in allem. Carpe noctem – pluk de nacht!

Wein trinken und Wasser predigen

27. August 2018

 

Der Frühling ist da! Überall sprießen die ersten Blütenknospen aus der Erde, die Bäume schlagen aus und auch hormonell tut sich so einiges – vor allen Dingen bei unserer Katze Minka, die sich immer mehr für den Kater von nebenan interessiert. Als ob wir nicht schon genug vorpubertäre Mäuse im Haus hätten.

Leonie hat für ihre herausragenden Englisch-Leistungen eine Medaille bekommen. Mit wehender Mähne ist sie zur Bühne gerannt und hat dabei gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd. Dass sie dabei ihre MitschülerInnen um mindestens einen Kopf überragte, spielte eigentlich keine Rolle, stimmt sie aber zunehmend nachdenklich. Oft wünschen wir uns dann, ihre Freundinnen aus Deutschland könnten sich nur für ein paar Minuten zu ihr rüberbeamen, um das Größenverhältnis wiederherzustellen. Auch Luka zählt zu den Größten seines Jahrgangs, was ihm beim Fußballtraining durchaus zugutekommt. Durch seine ausgeprägte Ballaffinität wird es auch für Daniel zunehmend schwierig, ihm die Pille zu stibitzen, wenn es sonntags auf den Bolzplatz des Viertels geht und er spätestens nach einer halben Stunde mit hängender Zunge über den Asphalt schleicht. Höhentraining ist halt nichts für Lowrider.

Miriam macht alldieweil Karriere als GIZ-Koordinatorin für die trilaterale Zusammenarbeit zwischen Mexiko, Bolivien und Deutschland im Bereich Wasser-, Energie- und Ernährungssicherung, dem sogenannten „Water-Energy-Food Security Nexus (CotriNEXO)“, wie sich das Projekt nennt. Dies bescherte ihr einen 24-Stunden-Ultrakurztrip nach La Paz, wo sich allerlei bolivianische Vizeminister und sonstige Konsorten ihr Stelldichein gaben, um die neue Kooperation zu feiern. Auch der Pilot auf dem Rückflug nach Cochabamba war wohl inkognito auf der Party gewesen, jedenfalls schwankte die Maschine doch erheblich und nur mit viel Glück blieben die mit lustig grinsenden Smileys bedruckten Kotztüten der Airline unbenutzt.

Davor ging es für Miriam zum ersten Mal nach Tarija: Ein Erfahrungsaustausch zwischen einer Delegation aus neun Vertretern verschiedener öffentlicher Institutionen aus Cochabamba, die sich mit dem Staudamm „Misicuni“ befassen, und verschiedenen Experten der Wasserkraftanlage „San Jacinto“ stand an. Ausgerüstet mit einem Sicherheitshelm ging es 50 Meter in die Tiefe, um den dazugehörigen Staudamm zu besichtigen. Für große Überraschung sorgte dabei die Information, dass es nur eine Person gibt, die weiß, wie man die Schleusen öffnet. Das Wasser des Staudammes wird hauptsächlich für die umliegende Landwirtschaft benutzt, insbesondere für den Obst- und Weinanbau. Nach einem anschließenden Treffen in glühender Hitze auf offenem Feld mit der Regionalverwaltung, dem staatlichen Stromnetzbetreiber und verschiedenen Bewässerern aus der Umgebung ging es zum Mittagessen auf ein nahes Weingut. Dort konnte sich Miriam gleich von der guten Qualität des roten Rebsaftes überzeugen. Außerdem wurde Singani, der Nationalschnaps Boliviens, ausgeschenkt. Leicht angeschickert, aber dafür mit einigen Flaschen im Gepäck kam Miriam abends wieder in Cochabamba an.

Der (fast) geplatzte Gipfel

3. September 2018

 

Der Plan schien so gut wie einfach: Anlässlich des Besuchs von zwei Cousins von Miriam aus Frankreich sollte am Wochenende in Cochabamba das große Familienbeben stattfinden – explizit unter Ausschluss der G1. Das "G" steht für „Generation“ und meint alle Familienmitglieder über 60. Also ein reiner G2-Gipfel – auf der Gästeliste immerhin vier Angeheiratete, drei Geschwister, sieben Cousins und Cousinen sowie fünf Mitglieder der G3, eines davon noch im Bauch einer der Cousinen. Als G1-Stargast war Charro anwesend, Miriams Lieblingstante und auch ansonsten ein guter Geist.

Als Erste machten sich Andres und Cecilia, Miriams Geschwister, zusammen mit Cecis Ehemann Ale und einem der Cousins namens Luisfer (nicht zu verwechseln mit seinem fast gleichnamigen Verwandten aus der Unterwelt) per Pickup auf den Weg von Santa Cruz nach Cochabamba. Ach, hätten doch alle diese Route gewählt – aber dazu später. Baustellen und Staus, sie kamen gut durch, sie kamen überall raus. Dabei dröhnte aus den Boxen statt Bernd Begemann fortlaufend peruanische Cumbia-CDs, die Luisfer von seiner Zeit als Ölsucher im peruanischen Regenwald mitgebracht hatte. Die vier erreichten Cocha gegen Mittag, sie waren auch schon um drei Uhr morgens losgefahren, und fielen, kaum angekommen, in einen traumlosen Schlaf der Erschöpfung.

Abends gab es dann ein großes Gelage im Haus von Miriams Cousine Yamile, die mit ihrem Ehemann Daniel und ihren zwei Kindern (eines wie gesagt noch heranwachsend unter Ausschluss der Öffentlichkeit) nicht weit von uns wohnt. Als Vorspeise wurde gebackener Kuheuter gereicht, eine Köstlichkeit nicht nur der bolivianischen Küche, wie man uns versicherte (in Frankreich z.B. als tetine de veau bekannt). Die Hauptspeise: trancapecho. Bei dieser Spezialität aus Cochabamba handelt es sich um einen Burger, der mit einem riesigen Schnitzel-Fleischfladen, Kartoffeln, Reis, gehackten Tomaten, frischen Zwiebeln, roter Beete, frischer Petersilie und zwei Spiegeleiern gefüllt ist. Du sagst Döner? Isch sag trancapecho, Digga!

Leider kam es zu einem bedeutungsschwangeren Zwischenfall: Das Flugzeug aus Santa Cruz, das die restlichen Gäste der Sause zu uns bringen sollte, erwies sich als derart untauglich (es schlugen Flammen aus einer der Turbinen), dass der Rest der Bande im Süden verblieb. Wir dagegen hatten gefühlt ein halbes Dutzend trancapechos übrig. Die Magenkrämpfe am Folgetag sprachen Bände.

Am Sonnabend auf zur Laguna Angostura außerhalb Cochabambas. Da gibt’s frischen Fisch und man kann mit Motorjachten über den See cruisen. Alles nicht so wirklich spektakulär, aber in Gesellschaft durchaus erheiternd. Die Abfahrt zog sich allerdings ein wenig, weil Luisfer im trancapecho-Rausch seinen Autoschlüssel in seiner Karre eingeschlossen hatte und zuerst die Autotür vom Schlüsseldienst aufgebrochen werden musste, bevor wir losfahren konnten.

Angekommen im Restaurant am Ufer der Lagune saßen am Nebentisch einige Einheimische, voll und ganz in die Verköstigung eines Tonkruges voller chicha vertieft. Der Sage nach ist dies ein Pflanzen-Getränk der indigenen Bevölkerung, deren Zutaten die Dorfältesten sorgfältig in ihrem Mund fermentieren. Durchaus gewöhnungsbedürftig. Aber lecker ... eine ganz andere Art eben, um Bier zu brauen.

Abends dann der Höhepunkt aller Feierlichkeiten: A Night Out in Cochabamba! Leider mussten auf Anordnung des Stadtgouverneurs alle Nachtklubs und Kneipen um Mitternacht schließen, denn am Folgetag war autofreier Sonntag angesagt. Die Logik dahinter bleibt dem Gouverneur sein Geheimnis. Kurzerhand wurde bei uns bis 6:30 Uhr morgens weitergefeiert. Dann gefühlt ein halber Ochse und fünf Kilo Chorizo gegen Mittag zum Frühstück auf den Grill geschmissen und locker zusammengesessen, während die XL-Bierflaschen kreisten. So geht chillen in Bolivien.

Tage der Freude

10. September 2018

 

 

Die Woche begann spektakulär: Lukas erstes Fußballtraining bei seinem neuen Verein „La Cantera“, bei dem auch sein bester Freund Amaru spielt. Und, wie sich herausstellte, darüber hinaus Marcelo, Jeronimo und Gian-Luca, alles mehr oder weniger Kumpels aus seinem Jahrgang in der Schule.

Natürlich hatten alle schon ihre Vereinstrikots an, nur Luka wieselte mit einem „Messi“-Shirt und langen Trainingshosen über den Platz. Einen Kopf größer als der Rest der Bande, konnte er sich im Abschlussspiel gut durchsetzen und erzielte in seinem ersten Trainingsspiel auch gleich ein Tor. Was für ein Einstand!

Dann der große Tag: Leonies 11. Geburtstag. Noch am Vorabend sagte sie laut zu Valquiria, so laut, dass vor allem ihre Eltern es hören konnten: „Ich glaube nicht, dass ich ein Handy bekomme!“ Sie sollte sich irren.

Nach langer elterninterner Beratung hatten wir uns dafür entschieden, den Schritt zu gehen und Leonie schon im Alter von elf Jahren ein Smartphone zu schenken. Die Kommunikation mit ihren Freundinnen in Deutschland nahm einfach nach wie vor einen großen Platz in ihrem Leben ein. Darüber sind wir froh. Und wir wollten den Austausch fördern.

Versteckt in einer Cornflakes-Packung wartete das gute Stück auf seine Entdeckung. Alle Geschenke wurden ob ihrer Größe nach Smartphone-Format abgecheckt, und dann blieb nur noch dieses klobige große Ding übrig. Die Freude über den unter den Flocken versteckten Inhalt war dann aber umso größer.

Am nächsten Tag dann der Kindergeburtstag. Leonie wollte auch im "Super Jump" feiern wie Luka einige Monate zuvor. Same place, another time. Aber dieses Mal schon viel routinierter: Cupcakes von einer Bekannten eingekauft, die Torte schon am Vorabend besorgt und die „Canastas“ bestückt (Mitnehm-Geschenke für die Gäste). So löste sich alles in Wohlgefallen auf ... zunächst.

Die Mumie und das Abendmahl

17. September 2018

 

Die Woche begann mit einem medialen Urknall: Als Daniel am Montag nichtsahnend die Treppe mit seinem Koffer herunterkam, um Richtung Sucre zu entschwinden, sah er Valquiria und Leonie in trauter Zweisamkeit mit ihren Handys auf dem Sofa sitzen. Sei es denn nicht langsam Zeit für die Hausaufgaben, ließ er sich vernehmen, und was die beiden dort eigentlich machen würden. „Ach, ich habe Leonie nur die wichtigsten Apps runtergeladen, die sie wirklich braucht“, meinte Valquiria. Äußerlich Ruhe bewahren, das war jetzt wichtig - aber innerlich verlor Daniel kurz die Fassung. Gut, dass sich Apps so unkompliziert wieder entsorgen lassen. Was Leonie natürlich überhaupt nicht toll fand. Aber mit elf Jahren wollen ihre Eltern eben noch ein Wörtchen mitreden, welche Programme die kleine Dame da auf ihr Smartphone runterlädt und welche eher nicht.

Für weitere Verwirrung sorgte Katze Minka, die auf einmal nicht mehr aufhören wollte zu maunzen, sich ständig auf dem Boden wälzte und dem Kater von Nebenan schöne Augen machte. „Rollig“ heißt das im Fachjargon, so etwa wie „läufig“ bei Hunden. Das ging so Tag und Nacht, bis wir beschlossen, Minka im Haus zu behalten. Schwangerschaftsverhütung sozusagen. Pubertät kann ganz schön anstrengend sein, nicht nur bei uns Menschen.

Am Donnerstag dann schwebte Daniel aus Sucre kommend in Cochabamba am Flughafen ein, wo sich alle Seemänner trafen und sich (einmal wieder) auf den Weg nach Santa Cruz machten: Miriams Bruder Andres wurde 18 Jahre alt und ihre Nichte Sofia getauft. Wenn das keine Gründe zum Feiern waren …

Vor Ort angekommen wurde das Haus von Onkel Rodo und Tante Martha zum offiziellen Mittelpunkt der Festivitäten erklärt. Am Freitagabend gab es dort mexikanische All-You-Can-Eat-Tacos, zwei Cousins von Miriam aus Frankreich waren da (die neulich beim Versuch gescheitert waren, nach Cocha zu fliegen) und überhaupt ein einziges Schwirren und Sirren der Stimmen unzähliger Onkel, Tanten, Brüder, Schwestern, Nichten und Enkel. Cumbia dröhnte aus den Boxen, irgendwann kam das Pils auf den Tisch und als die Älteren langsam müde wurden setzte sich ein Tross aus Junggebliebenen in Marsch, um in der nächsten boliche weiterzufeiern. Der Abend endete in einem Tanzschuppen namens Papi Chulo, bekannt für seine nächtlichen Polizei-Razzien, wenn mit Beginn der Sperrstunde maskierte Hundertschaften die Tanzfläche stürmen und alle hopsnehmen, die nicht bei drei auf den Bäumen sind. Dieses Mal ging aber alles gut …

Am Sonnabend dann die Taufe. Der Pfarrer war zu spät und hatte keinen Bock, Luka wollte lieber auf den Bolzplatz vor der Kirche und als Daniel wenig später mit ihm zur Feiergesellschaft zurückkehrte, kam ihm Leonie entgegen, den letzten Rest Oblate noch im Mundwinkel. Bei ihr hatte anscheinend die Neugier gesiegt, als alle nach vorne gingen, um das HEILIGE ABENDMAHL zu empfangen. Taufen lassen will sie sich aber trotzdem nicht, meinte sie hinterher.

Abends machte sich Miriam auf nach Mexiko zu ihrem neuen Job (dazu nächste Woche mehr), während Daniel mit den Kids bei der Taufparty blieb. Dort trat dann eine Animationstruppe auf, um die Kinder zu bespaßen, und am Ende mussten auch die Erwachsenen aus Kindermangel die lustigen Spiele mitmachen. Luka wurde zur Klopapier-Mumie und Daniel musste gegen einen anderen Vater ins Duell, um mit Ofenhandschuhen ausgestattet Luftballons um die Wette zu zerdrücken. Ach wat ham wa jelacht … serviert wurde anschließend ein traditionelles Kinder-Geburtstagsessen: Spanferkel. Soll auf jeden Fall Glück bringen, so ein Schweinchen auf dem Teller. Sonntag ging es dann zurück nach Cocha, mit gefühlt zwei Kilo Geburtstags-Sahnetorte im Gepäck. ¡Buen provecho!

Viva Mexico cabrones!

24. September 2018

 

Um drei Uhr morgens ging es los: Mit einer 13-köpfigen bolivianischen Delegation, die aus Vertretern von fünf Vizeministerien bestand, ging es für Miriam von La Paz aus Richtung Mexiko. Nach fast 20 Stunden Reise und Aufenthalten Bogota und Mexiko-Stadt landete die Gruppe am Sonntagabend in Obregón, wo um Mitternacht immer noch 30 Grad herrschten.

Am Montag ging es gleich um 7 Uhr morgens weiter: Erfahrungsaustausch mit dem regionalen Landwirte-Ausschuss, die für ihr effizientes Bewässerungssystem im ganzen Land berühmt sind. Danach wurde der Mehrzweckstaudamm zur Energiegewinnung, Bewässerung und Trinkwasserversorgung der Stadt besichtigt. Bevor alle zurück in die Hauptstadt flogen, wurde erst einmal geschlemmt: Meeresfrüchte standen bei den Bolivianern, die ja keinen Zugang zum Meer haben, ganz oben auf der Tageskarte.

Die nächsten vier Tage arbeitete die bolivianische Delegation Seite an Seite mit ihren mexikanischen Kollegen von der nationalen Wasserbehörde CONAGUA, nachdem jeden Tag eine halbe Stunde draufging, um durch die Sicherheitskontrolle zu gelangen. Gemeinsam wurde der Arbeitsplan für die nächsten zwei Jahre entwickelt. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung eines Wasser-Managementmodells für Mehrzweckstaudämme. Gestört wurde die Arbeitsatmosphäre nur durch einen probeweisen Erdbebenalarm, bei dem alle 24 Millionen Einwohner der Stadt aufgerufen wurden, die Gebäude zu verlassen.

Dann die große Überraschung: Zufälligerweise waren gerade zwei Ex-GFA-Kollegen von Miriam in der Stadt und spontan wurde im historischen Zentrum gemeinsam angestoßen, wo Miriam zuletzt vor 18 Jahren lebte. So war die Zeit vor Ort sehr intensiv und von alten Erinnerungen begleitet. Mit einem Festmahl in Coyoacán wurde der Abschluss des Workshops gefeiert: Geröstete Grashüpfer mit Tortillas.

Leider erreichte uns in der Woche die traurige Nachricht, dass Coco, Leonies und Lukas Kaninchen, bei ihrer Pflegefamilie in Hamburg gestorben ist. So war die Ankunft in Cochabamba eine Mischung aus Freude und vielen Tränen um das verstorbene „Familienmitglied“.

In Cochabamba war währenddessen nicht wirklich viel Aufregendes passiert: Nach langem Hin und Her wurde die Straße vor unserem Haus geteert. Das ist deswegen so bemerkenswert, weil die Stadt ursprünglich nur zu Dreiviertel versiegelt werden sollte. Offizielle Begründung: Es sei keine Straße, sondern nur ein Weg. Und Wege würden nur bis zu einer Breite von 9 Metern asphaltiert. Unsere Straße misst aber 12 Meter zwischen beiden Bürgersteigen. Dagegen zog ein Anwohner vor Gericht – und gewann. Klingt nach einem dieser Dramen aus der deutschen Vorstadt. Doch Korinthenkacker gibt es leider überall.

Ein weiteres Highlight: Der Geburtstag von Steffen, Daniels Kumpel von Brot für die Welt. Er hatte ins „Dortmund“ geladen, der einzigen deutschen Kneipe in Cochabamba. Alles in schwarz-gelb, zu essen gab es Currywurst mit Pommes (die bolivianische Thekenkraft bestand darauf, dass zur Wurst Kartoffelbrei am besten schmeckt) und zu trinken ein Bier namens „Prost“ von einem deutschen Braumeister aus Santa Cruz.

Dann ging es ins Wilstermann-Stadion zum Stadtderby gegen Aurora. Der amtierende bolivianische Meister gewann natürlich, es gab nur Softdrinks zu kaufen und aus Frust über die Niederlage trat der braungebrannte Gigolo-Trainer der gegnerischen Mannschaft mit seinen italienischen Lederschuhen eine Tür ein. Europäische Markenware eben.

 

Polizei, Steak and Fries

1. Oktober 2018

 

Daniels zweiter Workshop in Tarija fing eigentlich ganz normal an: Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren anwesend. Sonniges Wetter. Nun gut – das Hotel war neu. Aber nachdem beim letzten Mal Horden kreischender Halbstarker nachts durch die Flure zogen, war ein Tapetenwechsel fällig. Und das „Los Ceibos“ hielt alles, was es versprach.

Eine weitere Veränderung: Daniels Begleitung hatte sich (zumindest äußerlich) entscheidend verändert. War beim ersten Workshop noch Britta an seiner Seite gewesen, war diese zu jenem Zeitpunkt im Urlaub, sodass Benedict vom WFD am Start war. Wie Britta ein alter Recke der Internationalen Zusammenarbeit, doch mit etwas anderem Esprit.

Just gegenüber dem Hotel entdeckte Daniel prompt sein Lieblingsrestaurant: „El Fogón del Gringo“. Für seine saftigen Steaks und die einladende Salatbar berühmt, sollte es für Daniel und Bene (nebst dessen Kumpel Leo, der just zu der Zeit in Tarija weilte) zum kulinarischen Zielpunkt eines jeden Abends nach einem langen Workshop-Tag werden. Bedient wurden sie von Ariel, einem Jüngling, der wie seine märchenhafte Namensverwandte jedes Mal, wenn sich auch nur der Hauch eines Wunsches auf den Mienen der drei Gäste abzeichnete, neugierig heraneilte und ebenjenen mit einem Lächeln erfüllte.

Der Workshop selbst übertraf alle Erwartungen: Neben dem Versuch, einen Pressekodex für Bolivien anzuschieben, wurden auch erste cuñas (kurze Radiobeiträge) im Sinne des konfliktsensiblen Journalismus produziert. Alle happy, auch aufgrund der deliziösen Zwischenmahlzeiten, und am Samstagabend dann: Party!

Bene, Leo und Daniel wurden zu einer peña bestellt, in der sich die Menschen Tarijas bei einer Art Reibetanz vergnügten. Die Krux dabei war, dass dann und wann ein Männlein und ein Weiblein der sich im Kreise Wiegenden unter großem Getöse in die Mitte gestoßen und dort unter johlendem Juchzen der Umstehenden zusammengedrückt wurden, indem sich alle wie eine Ziehharmonika nach innen zusammenzogen.

Was keiner der Anwesenden bedacht hatte: Am nächsten Tag war autofreier Sonntag in Tarija. Daher wurde die Musik pünktlich um Mitternacht abgestellt und alles verabschiedete sich in die Nacht. Daniel hatte natürlich vorgesorgt: Die Hotel-Rezeption kannte anscheinend die Spezial-Nummer eines Shuttle-Services, der auch an jenem Tag verkehren sollte. Als er also mit seinen beiden Begleitern in der Lobby der Dinge harrte und draußen die Bürger und Bürgerinnen Tarijas nebst Nachwuchs im Bobbycar, auf dem Fahrrad oder zu Fuß ihre Kreise zogen, hielt plötzlich staubaufwirbelnd eine Patrouille der Nationalpolizei vor dem Hotel. 

Ein behelmter Scherge schritt herein und rief: „Internationale Journalisten-Delegation?“ Prompt sprangen die drei auf aus ihren Flokati-Sesseln und rauf auf den Pritschenwagen. Auf dem Weg zum Flughafen wurden dann noch schnell einige weitere Zivilisten aufgegabelt, die in der Hitze verzweifelt mit ihren Rollkoffern die Straße entlangkeuchten. So erreichten sie gerade noch eben den Flug nach Sucre und entschwanden in den Frühlingshimmel.

Dschungelhochzeit und Medaillen

8. Oktober 2018

 

Kaum, dass Daniel zum letzten Mal aus Sucre zurückgekehrt war, bevor es für ihn zum ersten Mal zurück nach Deutschland gehen sollte (dazu nächste Woche mehr), wurde es in Cochabamba historisch: Luka und Leonie hatten an ihrer Schule die Bronze- bzw. Silbermedaille für ihre besonders guten schulischen Leistungen verliehen bekommen. Tags darauf fuhr Daniel zu den anstehenden Elterngesprächen mit Ms. Alejandra (der Lehrerin von Luka) und Ms. Nuit (Leonies Lehrerin). Neben den lobenden Worten, die sie für die Englisch- und Spanischkenntnisse der Kinder fanden (vor allem Luka scheint befreit und ohne Angst draufloszusabbeln – von wem er das wohl hat?) und der Betonung ihrer besonderen sozialen Kompetenzen im Klassenverband, gab es einen „Rekord“ zu vermelden: Noch nie in der 20-jährigen Geschichte der AISB hatte es eine Nicht-Bolivianerin geschafft, eine Silbermedaille zu erhalten. Wow!

Am Freitag ging es dann ans Kofferpacken. Für Daniel stand der größte von allen bereit, immerhin sollte er erst wieder rund zwei Wochen später bolivianischen Boden betreten. Gemeinsam mit dem Rest der Familie entschwand er am Abend dann Richtung Santa Cruz, wo vor seinem Abflug nach Europa noch eine Dschungelhochzeit anstand: Ein Ex-GFA-Kollege von Miriam hatte zu seiner Hochzeit eingeladen. Zum zweiten Mal nach zehn Jahren wollte er dieselbe Frau heiraten, nachdem sie sich vor zehn Jahren bereits in Deutschland das Ja-Wort gegeben hatten.

Die Kinder hatten keine Lust und wollten lieber bei den Großeltern bleiben. So schwangen sich Miriam und Daniel auf in die Nacht und trafen auf eine deutsch-bolivianische Hochzeitsgesellschaft, die es sich zwischen Palmen und Pool unter dem sternenklaren Himmel der bolivianischen Tiefebene gemütlich gemacht hatte. Die Standesbeamtin kam eine Stunde zu spät, die Hochzeitsreden der deutschen Eltern und des Bruders des Bräutigams dauerten rund 1,5 Stunden (Miriam glänzte dabei als Spontan-Simultan-Übersetzerin) – gegen Mitternacht wurde dann endlich das Buffet freigegeben und die Bar eröffnet. Alles floss in Strömen, der DJ drehte die Anlage bis zum Anschlag auf und die Leude kamen derart in Bewegung, dass buchstäblich die Wände wackelten. Oh what a night!

Am nächsten Morgen hastete Daniel nach nur vier Stunden Schlaf zum Flughafen und sank in eine extra für ihn reservierte Doppelsitzreihe, nachdem das mit dem eigentlich gebuchten XL-Sitzplatz am Notausgang nicht geklappt und er den diensthabenden Manager der Airline („Air Europa“) nur mit aufreizender Mühe und deutlichem Charme dazu bewegen konnte, ihm doch etwas entgegenzukommen. Einen Hauch Sternenstaub später erwachte er aus einem zehnstündigen Schlaf in einem fernen Land, in einer anderen Zeit …

Die Wucht der Provinz

15. Oktober 2018

 

Kaum dass sich der Nebel des nächtlichen Transatlantikfluges gelichtet hatte, tapste Daniel noch leicht benommen in Frankfurt a.M. aus dem Flieger und traute seinen Augen nicht: Überall leise sprechende Menschen, fein säuberlich geordnete Auslagen in dezent platzierten Geschäftsvitrinen, ein Wald voller Schilder mit für den Reisenden entscheidenden Hinweisen – und zum vollendeten Glück eine CITY RAVE-Filiale. Sie bot ihm einen ersten Zufluchtsort vor dem Konsum-Overkill, mit altbekannten Produkten aus Hamburger Zeiten. Dort ließ es sich erst einmal verschnaufen – wie behaglich, wie geruhsam.

Dann schnell in den ICE nach Bonn. Draußen rauschte die frühherbstliche Farbenpracht vorbei, die Landschaft leuchtete wie frisch getunkt in altgold, feuerrot, AfD-braun und liberalgelb. In Bonn den Regionalexpress nach Troisdorf, dann die Regionalbahn nach Königswinter genommen – dem Ziel der langen Reise. Dort angekommen folgte die Ernüchterung: Die Zugtüren schwangen auf, Daniel polterte mit seinem Riesenkoffer auf den Bahnsteig, die Türen schlossen sich, der Zug fuhr ab. Und da stand er nun und sah den Lichtern nach, allein auf weiter Flur, niemand sonst war zu sehen. Zu Fuß ging es weiter in Richtung des Arbeitnehmerzentrums, wo das Seminar stattfinden sollte, wie so vieles in Königswinter ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Wäre nicht eine junge Mutter des Weges gekommen und hätte ihn animiert, am nahen Rhein entlang zum Seminarort zu schlendern, Daniel wäre wohl sofort wieder abgefahren angesichts der schier übermächtigen Wucht der westdeutschen Provinz.

Die erste Seminarwoche erwies sich als intensive Bestandsaufnahme des bisher Erlebten. 14 EntwicklungshelferInnen aus Bolivien, Kolumbien, Guatemala, Äthiopien, Simbabwe, Ruanda, Kenia, dem Irak, Palästina, dem Libanon und Nepal erzählten ihre Geschichte. Die Anderen hörten zu, fragten nach, gaben Hinweis, das Ganze moderiert von zwei Coaches. Geistig latent entleert und doch vom Ballast der jüngsten Vergangenheit befreit schwang sich Daniel am Ende der Woche in den Flieger nach Hamburg, um dort erst einmal einen langen Elbspaziergang mit seinen Eltern zu machen. Der alte Fluss ging noch dem Meer entgegen, der Leuchtturm stand am Ufer, und Rissen war noch immer das Dorf, das es immer war. Wie beruhigend, wie genügsam.

Doch alle Meditation und geistige Einkehr sollte sich schon am Folgetag ins Gegenteil umkehren: Flugs den dicken Big Fat Koffer (mittlerweile gefüllt mit allerlei Geschenken und Paketen für die Daheimgebliebenen in Bolivien) zu Daniels Bruder Simon und dessen Frau Elsa gebracht und dann mit den Beiden Richtung Hafen geschlendert, ein Alsterwasser in jeder Hand. Der Sommer in Deutschland schien einfach nicht weichen zu wollen, und so brannte die Sonne hernieder, als die Drei bei 28 Grad im Schatten an der Hafenstraße plötzlich in eine Techno-Demo gerieten. Nichts Ungewöhnliches für Hamburger Verhältnisse, aber dann eben doch die richtigen Tunes zum richtigen Zeitpunkt. Ein Tisch im besten Burger-Restaurant der Stadt war bereits reserviert, an der Bar wurde die „Angry Hour“ eingeläutet, und nach und nach fanden sich zwölf verwegene Gestalten ein, um sich der allseits erwarteten Frikadellen-Orgie zu ergeben.

 

Anschließend eilte das bunte Trüppchen in einen nahen Konzertsaal, zu den Indie-Rotzlöffeln Chuckamuck aus Berlin. Dort wartete schon mit den Hufen scharrend ein weiteres Dutzend TeilnehmerInnen der Samstagabend-Gala. Die Mucke schrubbte, das Pils ergoss sich schier endlos aus dem Zapfhahn, der Hinterhof gab den Blick frei auf den nächtlichen Sternenhimmel von St. Pauli. Als das große Rauschen einsetzte, verloren sich die Anwesenden zunehmend aus den Augen, versprengte Grüppchen formten lose Feiergesellschaften, Küstennebel zog auf, der Hafen harfte, die Möwen möwten, Applaus, Vorhang, Sonnenlicht.

Sauerkraut und Würstchen

22. Oktober 2018

 

"hey hey meine utopischen piloten
da fliegt ihr ja wieder
unterwegs im auftrag von schönheit

und gelingendem leben

ich sing eure lieder

wir hier und unsere unsterblichen seelen
sag mir wie sollten wir arm sein?
wir und der unpfändbare rest unserer herzen - 
was sollten wir anders sein als frei?" (PeterLicht)

 

Die Landung war hart. Nicht, dass der Eurowings-Flugkapitän einen schlechten Tag gehabt hätte, mit dem Daniel zurückgeflogen war. Aber der Kontrast zwischen der großartigen Auszeit in Hamburg und der nun folgenden zweiten Seminarwoche sollte es für Daniel in sich haben.

Wie es die Dramaturgie wollte, ergaben sich aus den Präsentationen der ersten die Themen für die zweite Woche. Die wurden dann in allen erdenklichen Formaten „behandelt“: In von den beiden Moderatorinnen angeleiteten Workshops, im kollegialen Austausch, in AGs mit inhaltlichen „Inputs“ oder in Einzelcoachings. Abgerundet wurde das Ganze von gelegentlichen Besuchen eines nahen Weinlokals am Rhein, wo der Grauburgunder sein Unwesen trieb, oder einem Besuch des fußläufig erreichbaren Drachenfelsens, wo einst Siegfried angeblich dem Unhold sein Feuerschwert in den schuppigen Leib trieb. Ein geschichtsträchtiger Ort, dem Dieter Bohlen mit seiner seltsam deplatzierten Casting-Show seinen ganz eigenen Stempel aufdrückte.

Derart präpariert und innerlich aufgepäppelt reiste Daniel am Ende der Woche nach Frankfurt zurück. Doch nicht etwa, um einfach den Flieger zurück nach Bolivien zu besteigen – mitnichten. Hier erwartete ihn nach der obligatorischen Odyssee mit der Deutschen Bahn das heimelig hergerichtete Zimmer seines Patensohnes Jakob.

Er wohnt dort zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder Max. Sein Vater Conner ist einer der ältesten Freunde Daniels – entsprechend herzlich fiel die Begrüßung aus. Einer von Conners Qualitäten sind opulente Abendessen, die er nicht etwa liefern lässt, sondern höchstselbst anrichtet. Anschließend verloren sich die beiden Freunde in der Frankfurter Nacht. Das Wochenende kulminierte in einem Konzert von PeterLicht, seines Zeichens Kölner. Vollends glückshormonisiert fiel Daniel in das mit laufenden Rotoren wartende Flugzeug …

Alldieweil wurde in Cochabamba die feria internacional an der AISB zelebriert. Lukas Klasse stand für Deutschland, Leonies hatte Peru am Wickel. Miriam betreute als schwarz-rot-güldene Mamacita den deutschen Stand und bot den Umstehenden Sauerkraut und Würstchen feil. Luka stand ihr im Trikot der Nationalmannschaft zur Seite. Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang Leonies Auftritt mit ihrer Tanztruppe: Ein Volkstanz aus Tarija stand auf dem Programm, in traditioneller Tracht.

Währenddessen reiste Daniel mit seinem Riesenkoffer rückwärts durch die Zeit. Doch die Jubelschreie bei seiner Ankunft sollten weniger ihm als anderen Dingen gelten …

Köstlichkeiten und Geschenke

29. Oktober 2018

 

Ab dem Moment, als Daniel am Montag durch die Tür in Cochabamba schritt, war plötzlich Weihnachten und Ostern zusammen: Die eine Hälfte seines Koffers bestand nur aus Geschenken und Köstlichkeiten aus Deutschland, die es allesamt unbeschadet durch den bolivianischen Zoll geschafft hatten. Das Auspacken dauerte rund eine Stunde, dazu gab es Franzbrötchen sowie Budda- und Schokocroissants, die Daniel noch schnell bei einem Frankfurter Bäcker erstanden hatte, bevor er in den Flieger geklettert war.

Leonie und Luka hatten frei als Ausgleich für die feria am Wochenende, nur Miriam musste leider irgendwann zur Arbeit, und so chillten die drei in den Tag hinein, Daniel irgendwo zwischen den Welten und die beiden Kinder im siebten Himmel.

Am Wochenende ging es dann auf zur cancha, um für die Kids Halloween-Verkleidungen zu kaufen. Luka suchte sich ein Vampir-, Leonie ein Hexenkostüm aus. Das Fest mit einer dezidiert US-amerikanischen Tradition wird an einer American School natürlich besonders intensiv gefeiert wird. Schon eine Woche vor dem eigentlichen Tag der Geister und Gruselwesen war jeder Tag einem besonderen Verkleidungsmotto gewidmet: Mal hieß das Motto „Pyjama“, mal „SuperheldIn“ oder „Voll Durchgeknallt!“ – die Kids hatten in jedem Fall ihren Spaß. 

Geisterstunde und Sozialstress

5. November 2018

 

Dann kam der 31. Oktober/ 1. November, zwei Tage, die in Bolivien ganz besonders gefeiert werden: US-amerikanischer Verkleidungswahn ("Halloween") trifft indigenen Totenkult ("mast'aku") vor dem Hintergrund der Folgen des europäischen Religionsimperialismus ("Allerheiligen"). Eine interessante Mischung. Leonie und Luka zogen schauerlich verkleidet mit Kumpels und Kumpelininnen durch von Sicherheitspersonal und Zäunen abgeschirmte Wohngebiete und holten sich ihre Schnabulatius ab. Carpe noctem.

Am nächsten Tag war dann todos santos, in Mexiko auch el dia de los muertos genannt. Der Überlieferung zufolge erreichen zuerst die Seelen der verstorbenen Kinder die Erde in der Nacht auf den 1. November, dann im Laufe des eigentlichen Feiertages der Rest der dahingeflossenen Mischpoke. An diesem Tag verweilen dann alle Verstorbenen für eine Zeit bei den Lebenden, bis sie spätestens zur Mittagsstunde des Folgetages wieder in die Ewigen Jagdgründe entschwinden.

Ihnen wird nicht nur zu Hause ein Platz am Küchentisch eingeräumt, dekoriert mit dem Lieblingsessen und -trinken der Toten, sondern das Ganze wird auch mit auf den Friedhof geschleppt und dort erneut angerichtet. Freunde und Fremde werden eingeladen, mitzufeiern, und so findet sich der Reisende oft unverhofft mitten in einer morbiden Feiergesellschaft wieder, um dem Gedenken an die Verstorbenen beizuwohnen. Ein durchaus bewegender Moment.

Am Abend des Totentages waren Katia und Erik bei uns zu Gast. Sie Bolivianerin, Beraterin in der Internationalen Entwicklungszusammenarbeit, er Holländer, für die EU-Kommission in Bolivien im Einsatz. Mittlerweile gute Freunde, artete der Abend unter dem Motto „Viva Mexico, cabrones!“ dennoch aus, nicht nur, weil die von Miriam aus dem Motto-Land mitgebrachte Tequila-Flasche ein ums andere Mal als "Prost"-Lieferant herhalten musste, sondern auch, weil Daniel justamente neue Saiten auf seine Gitarre spannen lassen hatte. Der Höhepunkt war eine auftrittsreife Version des Gassenhauers „Venus“ der holländischen Band „Shocking Blue“, die sicher alsbald auf dem einen oder anderen Bolivien-Bootleg auftauchen wird.

Der Sozialstress ging prompt weiter am Sonnabend – Miriams Kollege Stephan hatte zum Geburtstag eingeladen. Man durfte sich verkleiden, musste aber nicht. Rund ein Dreiviertel der Familie folgte dieser Nicht-Aufforderung, nur die Hausdame setzte sich keck Leonies Hexenhut auf. Allerdings liefen im Laufe des Abends dort noch ganz andere Gestalten auf. Den Preis der am schönsten Ausstafiertesten gewann dann übrigens eine Dame, die sich als Horror-Vogelscheuche verkleidet hatte.

Am Sonntag der Gipfel aller Sozialisierungs-Versuche: Ein Nachmittag mit den Expats von Cochabamba, genauer gesagt einem deutsch-bolivianisch-argentinischen Pärchen, einem Ehepaar aus Buenos Aires, zwei US-MissionarInnen und unseren Freunden, sie Peruanerin und er aus dem wunderschönen Südwestdeutschland. Plus zwölf wild umhertobende Kinder. Abgesehen davon, dass Luka seinen gerade neu gekauften Champions-League-Fußball zerschoss und Leonie sich beim Baden im Pool eine fette Erkältung holte, war es eigentlich ein entspanntes Stelldichein.

Schaukeln und "chicha"

12. November 2018

 

Nachdem sich alle Gäste aus dem Jenseits wieder aus dem Staub gemacht haben, wird in Bolivien munter weitergefeiert: Ein neuer Lebenszyklus beginnt, was mit dem Fest der wallunk’a gefeiert wird. Dazu werden vor allem in und rund um Cochabamba riesige Schaukeln aus Eukalyptus-Stämmen gebaut, verziert mit reichlich Blumen und anderem Grünzeug. Oben am Querbalken hängen handgefertigte Körbe voller Backwerk und anderen Köstlichkeiten.

Nachdem sich die Anwesenden eine Weile zum Rhythmus der cumbia wiegen, setzen sich einige wagemutige Frauen auf die Schaukel und werden von zwei Männern mit Seilen in Schwung gebracht, die an den Seiten des Schaukelbretts angebracht sind. Ziel der Übung ist es, mit den Füßen die Körbe herunterzuholen.

Die Seemänner waren in Apote eingeladen, eine kleine Gemeinde am Rande von Cochabamba mit einer lebhaften Hippie-Community. Kaum angekommen, wurde Miriam und Daniel sofort eine Schale chicha unter die Nase gehalten. 

Jedoch nicht etwa, um davon zu kosten: Das Ritual will es, dass man zuerst die Kokosnuss-Trinkschale in den Eimer voller Maisbier tunkt, damit anschließend jemand anderem mit den Worten para ti („für Dich“) zuprostet, dann ein wenig davon auf die Erde kippt, um pachamama („Mutter Erde“) gnädig zu stimmen, dann selbst die Schale austrinkt und sie dann leer weiterreicht an denjenigen, dem man zuvor zugeprostet hat. Dann beginnt das Ganze von vorne, nur in anderer Besetzung.

Leider hatte Miriam während ihrer Zeit in Ecuador ein chicha-Trauma erlitten. Daniel musste daher Miriams Portionen austrinken, nachdem sie daran höflich genippt hatte. Gut, dass die Dame des Hauses ebenfalls über einen bolivianischen Führerschein verfügt. Zu essen gab es schonend gegarte Hammel-Koteletts mit gekochtem Mais – die Rettung war eine alte Omi mit einem Riesenkorb voller Chips und Nüsse, die zwischen den Feiernden herumlief und bei der sich die Seemänner reichlich eindeckten. Denn wer chicha trinkt, muss auch an die Elektrolyte denken.

Bingo!

19. November 2018

 

In dieser Woche standen eindeutig Leonie und Luka im Mittelpunkt: Auf einer von der Schule organisierten „Science Fair“ wurden Experimente der einzelnen Schulklassen vorgestellt, für die im Vorfeld diverse „Zutaten“ mitgebracht werden mussten und die dann live vor den Augen der anderen Schüler und Schülerinnen durchgeführt wurden.

Weiter ging es am Wochenende mit der auch für Eltern zugänglichen „Talent Show“ in der Schule der Kids. Als Erste musste Leonie mit ihrer Basketball-Mannschaft zeigen, was sie so an Korblegern und Dribblings während der letzten Monate gelernt hatte. Anschließend spielte Lukas Fußball-Schulmannschaft gegen eine lokale Truppe. Luka und sein argentinischer Kumpel Luciano sorgten dafür, dass die AISB am Ende 5:4 gewann. Luka schoss unter dem Jubel seiner Mannschaftskollegen das „Golden Goal“.

Dann das eigentliche Thema der „Talent Show“: Auf einer Bühne sangen mehr oder weniger authentisch frisierte und geschminkte Kinder Songs ihrer großen Popstar-Vorbilder – was nicht allen unbedingt gelang. Aber wie sagt man so schön? Was zählt, ist nur der Karneval. Miriam und Daniel waren am Vorabend auf einem Grillfest bei den Apote-Hippies gewesen, hatten entsprechend wenig geschlafen und leider das Ohropax zu Hause vergessen, wodurch die über eine völlig überdimensionierte Lautsprecheranlage vertonten Auftritte teilweise durchaus schmerzhaft waren. Leonie sorgte dann mit einem legendären Auftritt ihrer Modern-Dance-Gruppe für den nötigen optischen Balsam.

Den toppten die Kids nur noch mit dem Gewinn des darauf folgenden Bingo-Spiels: Ein Klassenkamerad von Leonie hatte ihr einen seiner Bingo-Coupons geschenkt und nachdem fast alle Preise schon vergeben worden waren, sahnten die beiden noch den letzten verbliebenen Geschenkekorb ab. Hammer!

Eine letzte Anekdote: Luka macht seit Kurzem „Männchen“. Das ist nicht etwa Teil einer Zirkusnummer, sondern seine Idee, an jedem Abend alle Kleidungsstücke, die er am nächsten Tag anziehen will, fein säuberlich zu einem „Männchen“ zusammenzulegen. Dieses Ritual ist ihm heilig. Vielleicht wird aus ihm ja eines Tages nicht nur ein Fußballstar, sondern auch ein Modezar? Wer weiß ...

Wenn in Apote die Feuer brennen

26. November 2018

 

Was in Deutschland das Erntedankfest, ist „Thanksgiving“ in den USA. Und da Leonie und Luka ja bekannterweise auf eine amerikanische Schule gehen, wurde der Tag entsprechend groß im US-Stil gefeiert – natürlich inklusive dem obligatorischen Truthahnessen.

Doch sollte nicht nur geschmaust und genossen werden, auch an die umliegenden Bildungseinrichtungen wurde gedacht, die nicht so gut betucht sind wie die Privatschule der Kinder: Zugunsten einer Grundschule aus der Nachbarschaft wurde ein „Walk-A-Thon“ veranstaltet, bei dem alle Schüler und Schülerinnen 1-km-Runden um den Sportplatz drehten und vorher Spender akquirieren mussten, die pro gelaufener Runde einen Obolus entrichteten.

Ins Boot geholt wurden von den Kindern neben den Eltern auch die Großeltern sowie Onkel Simon und Tante Elsa aus Deutschland. Luka lief 13, Leonie 12 Kilometer, und so kam ein hübsches Sümmchen zusammen. Direkter und unmittelbarer kann Entwicklungszusammenarbeit eigentlich nicht laufen ...

Am Wochenende dann der Abschied von Pablo, dem Hippie-König von Apote. Halb Bolivianer, halb Deutscher, verbringt er die eine Hälfte des Jahres in Frankfurt, die andere in Cochabamba. Sein Vater ist einer der Granden der bolivianischen Linken und das Haus steht generell jedem und jeder offen, der oder die sich gerade auf der Durchreise befindet und gesinnungstechnisch ins Umfeld passt. So tanzte neben all den Bolivianern, Deutschen und Menschen mit mehreren Nationalitäten auch eine Delegation kurdischer Freiheitskämpfer zu entspannten Reggae-Hymnen über das üppige grüne Gras. Die Feuer brannten, die chorizo knackte, die Rinderlenden knusperten, das Bier floss in Strömen. Pura vida in Bolivien ...

Die Nagelschere und der Geldautomat

3. Dezember 2018

 

Die Mexikaner sind da! Lang erwartet und dann doch zu spät, aber immerhin überhaupt und sowieso. Zu Besuch als Teil des neuen Wasserprojektes mit Miriam in ihrer Funktion als Koordinatorin eines Drei-Länder-Projektes zwischen Mexiko, Bolivien und Deutschland. Aus diesem Grund verweilte sie die ersten Tage der Woche in der heimlichen Andenhauptstadt, während sich Daniel in Cochabamba im Home Office auf seinen dritten und letzten Workshop des Jahres in Tarija vorbereitete.

Alles lief gut, bis die Security am Flughafen von La Paz in Miriams Handgepäck eine Nagelschere entdeckte. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt: Miriam hatte die Wahl, das gute Stück entweder dem Sicherheitspersonal auszuhändigen oder aber ... sie wählte die zweite Option, ging zurück in den Check-In-Bereich und versteckte das gute Stück oben auf einem Geldautomaten in dem guten Gewissen, Ende der Woche sowieso wieder dorthin zurückkehren zu müssen, um die Mexikaner im Anschluss an einen Trip nach Cochabamba zurück nach La Paz zu bringen und zu verabschieden.

Allerdings musste sie anschließend erneut durch die Sicherheitsschleuse und verpasste dadurch ihren Flug nach Cochabamba. Nach einigem Hin und Her konnte sie dann noch einen späteren Flug nehmen. Happy Ending: Die Nagelschere lag bei Miriams Rückkehr nach La Paz noch dort, wo sie sie deponiert hatte. Que suerte!

Währenddessen schwebte Sarah in Cochabamba ein, eine Capoeira-Kollegin von Daniel aus Hamburger Zeiten. Leider verdarb sie sich kurz nach ihrer Ankunft den Magen an einem bolivianisch-libanesischen Döner. Trotzdem schön, dass Du da warst, Sarah!

Daniels Workshop in Tarija war der Knaller. Nicht nur, dass die Teilnehmer die ersten Kriterien für einen bolivianischen Pressekodex entwickelten, sondern auch so machte es einfach Spaß, mit so vielen motivierten Journalisten daran zu arbeiten, wie Journalismus per se dazu beitragen kann, dass Konflikte nicht eskalieren, sondern transformiert werden können, um zu mehr gegenseitigem gesellschaftlichen Verständnis beizutragen.

Am Sonnabend dann das große Finale: Just rund um den Pool von Daniels Hotel wurde eine dem Motto entsprechende Party gefeiert, die es in sich hatte. Die Reggaeton-Beats waren so schwer, dass die Doppelglasscheiben der Hotelzimmer im Takt vibrierten und nur die Flucht in einen nahen Irish Pub übrig blieb.

Währenddessen feierte Miriam den Abschied ihres Ex-Chefs in dessen Haus mit Garten – eine sicherlich weitaus entspanntere Alternative ...

Nikolaus und Schachmatt

10. Dezember 2018

 

Die Woche begann mit einer Entdeckung: Zurück in Sucre traf sich Daniel einmal wieder mit Miriams Cousin Luis Fernando, genannt LuisFer. Oder auch Luzifer. Je nach Aussprache. Er kehrte vor Kurzem aus Spanien nach Bolivien zurück und leitet seitdem das Familienhotel in der Stadt.

Ingenieur-Diplom in der Tasche und auch ansonsten sehr entspannt unterwegs war er stets und wurde erneut Daniels Lieblings-Cousin - mit allen Konsequenzen. Eine davon war die miteinander geteilte Entdeckung eines Gefährts, das noch Miriams Großvater Don Victor durch die Straßen Sucres geprügelt hatte. Es stand seit dem Tod des Familienoberhauptes außerhalb der Stadt in einer Scheune - unbewegt. Damit eine Tour durch den Regenwald des Landes wagen: Ein Versprechen zwischen Daniel und Luzifer, das gilt. Wer sich einreihen möchte - nur zu!

Ein weiteres Highlight: das Teamtreffen des Weltfriedensdienstes. Eigentlich als Hideout außerhalb der Stadtgrenzen geplant, fand es dann doch im altbekannten Umfeld statt - inklusive eines durchaus pittoresken Abschlussfotos. Peace Punks forever!

Wer einmal so kollektiv sexy an die Öffentlichkeit tritt, muss sich über Fanpost nicht wundern. Im Schwung dieses unverhofften Aufwindes sprang am Ende sogar noch eine Weihnachtsfeier heraus, die - angefangen in den altehrwürdigen Hallen des Familienhotels - schnell wie von selbst Fahrt aufnahm und angenehm entspannt beim ersten und einzigen Techno-Gig eines namentlich unbekannten DJs eskalierte.

Meanwhile in Cocha: Da kam der Nikolaus pünktlich am Donnerstag. Und dann am Freitag auch Daniel. Denn die AISB hatte eine International Dance Show organisiert, die es in sich hatte: Luka repräsentierte Aserbaidschan, Leonie war mit Kroatien am Start. Etwas eigenwillige Choreografien, dafür aber die Kostüme handgenäht und die Hingabe der Kids einzigartig.

Der krönende Abschluss der Woche war Lukas Teilnahme an einem stadtweit ausgetragenen Schachturnier. Vier Niederlagen, drei Siege. Und trotzdem ein nagelneues Schachbrett plus Figuren sponsored by Daddy - eine Investition in die Zukunft, wie sich noch herausstellen sollte.

Cool in Cocha

17. Dezember 2018

 

"To everything turn, turn, turn

There is a season turn, turn, turn

And a time to every purpose under heaven 

A time to be born, a time to die

A time to plant, a time to reap

A time to kill, a time to heal

A time to laugh, a time to weep"

(The Byrds)

 

So entspannt reist man nur im dritten Lebensabschnitt: Regina und Helmut schwebten nach 11.000 Kilometern vom Jetlag noch leicht benommen am Morgen eines bolivianischen Sommertages non-stop von Madrid kommend in Cochabamba ein. Die noch bessere Nachricht: Alle Salamis und sonstigen illegalen Mitbringsel hatten es in insgesamt vier Riesenkoffern unbeschadet durch den bolivianischen Zoll geschafft. Zur Belohnung gab es erstmal ein Eis zum Runterkommen.

Miriam hatte extra ihre Dienstreise nach La Paz unterbrochen, um den hohen Besuch willkommen zu heißen, bevor sie wieder in die Hauptstadt zur giz-Weihnachtsfeier entschwand. Dort führte sie das Schrottwichteln ein. Unbestätigten Berichten zufolge kam es zu leichten Tumulten beim Partyvolk, weil keiner die hellblau-rosa Plüschente haben wollte. Wer die wohl mitgebracht hatte?

Dann der letzte Schultag von Leonie und Luka: Erstere hatte schon vorgewarnt, dass sie im vierten Bimester nicht an ihre kontinuierlichen Leistungssteigerungen anknüpfen wollte, weil ihr schlicht und einfach die Energie dazu fehlte (O-Ton). Dass sie dennoch zum dritten Mal in Folge bei nur "halber Kraft voraus" eine Medaille ergatterte, spricht für sich. Dazu brachte sie ein Ölgemälde aus ihrem Kunstkurs nach Hause, das einmal mehr zeigte, welche kreative Kraft in ihr steckt. Luka holte zum ersten Mal Silber, wurde Klassenbester in Mathe und war stolz wie Bolle.

In den kommenden Tagen lieferten sich Luka und Helmut packende Schachduelle, während Regina und Leonie sowohl mit vor Ort selbstgebastelten als auch aus Hamburg mitgebrachten Utensilien das Haus vorweihnachtlich schmückten.

Trippin' in Tarija

24. Dezember 2018

 

Es schüttete wie aus Kübeln, als die Seemann-Regenhardtsche Reisegesellschaft Cochabamba mit Ziel Tarija verlassen wollte.

Der Abflug ließ daher erstmal auf sich warten. Im Tower vom Hamburger Helmut-Schmidt-Airport hätte man bei der Wetterdiagnose „Regen“ wohl nur müde gelächelt. Doch die Kollegen sollten mal eine Fortbildung in Bolivien machen: Was hier herunterkommt, ist kein Regen. Da kommt dann gleich mal „eine reine Wand hoch“, wie Helmut bei der Gelegenheit immer sagt.

In Tarija im Süden Boliviens angekommen schien die Sonne und das Hotel „Los Ceibos“ begrüßte die Reisegruppe mit Pool und Pommes. Dann ins Steakhaus nebenan, dem „Fogon del Gringo“: Eine Institution in Tarijas vom nahen Argentinien geprägter Grillkult-Szene, mit extrem effizient und gut ausgebildeten Kellnerinnen und Kellnern sowie einer Weinauswahl, die der wohl eindrucksvollsten Weinregion Südamerikas zu Recht ihren Tribut zollt.

Am zweiten Tag regnete es dann auch im Wein-Eldorado. Nach einer schier endlosen Übergabe war der Leihwagen bereit für den ersten Abenteuer-Ausflug. Ein naher Supermarkt wurde geplündert und es ging auf in die Weite Südboliviens mit dem Ziel, einen Wasserfall aufzusuchen, der sich laut GPS in nicht allzu weiter Ferne befinden sollte. Was keiner der Mitfahrenden wusste: Der Toyota RAV4 hatte die Angewohnheit, ab 80 km/h laut zu piepen, wohl um die übliche Geschwindigkeitsbegrenzung aufzuzeigen. Helmut saß auf dem Beifahrersitz, Miriam mit dem GPS-Gerät hinter Fahrer Daniel und neben den beiden Kindern sowie Oma Regina auf der Rückbank.

Der Regen prasselte auf das SUV-Dach, als plötzlich der Alarmsound ertönte. Helmut schrie reflexartig „Blitzer! Runter vom Gas!“, Miriam verlor die Orientierung, die Kids maulten immer lauter, wann denn nun endlich das Picknick beginnen würde, und Regina versuchte, die Szene mit kleinen Witzen einzufangen. Doch umsonst: Das Gefährt gab ein lautes Schnarren von sich, als Daniel über eine Reihe von Bodenwellen holperte – und das war’s. Zwar ließ sich kein unmittelbarer Schaden am Wagen erkennen, doch inmitten des sturzregenden Nichts ging es im Schritttempo zurück nach Tarija. Das Picknick fand dann auf dem Hotelbalkon der Großeltern statt. Der Tag wurde gerettet in der „besten Pizzeria Boliviens“, bevor auch hier der auf die Teller tropfende Niederschlag jegliche aufkommende Feststimmung jeh beendete.

Der dritte Tag sollte dann alle entschädigen: Eine Fahrt zum Weingut „Campos de Solana“ stand an, die Führung geleitet von Katia Lehman, dem deutschsprachigen Spross einer ausgewanderten Familie aus der Nähe von Lüneburg. Anschließend hieß es Wein einkaufen im großen Stil, u.a. „Esther Ortiz“, einen mit internationalen Preisen überhäuften Tropfen, und anschließend den Nachmittag am Hotel-Pool verbringen. Abends machten sich Daniel und Miriam dann mit zwei Bekannten auf zur „Salsa Night“, zwar ohne Salsa, aber dafür mit einigen Mojitos im Gepäck.

Am vierten Tag dann doch noch der Ausflug zu einem Wasserfall. Leider war der Weg zu den 60 Meter in die Tiefe sprühenden „Caimata Falls“ von einem Felssturz versperrt. Daniel und Luka kletterten trotzdem hoch. Jugendliche grillten frisch gefangenen Fisch. Idylle pur. Zurück zum Hotel, chillen am Pool, Rückflug am Abend nach Cocha.

Am nächsten Tag stand plötzlich Weihnachten vor der Tür. Doch was ist dieses Fest ohne Tannenbaum? Nach langer Suche wurde eine Pinie gefunden, die kurzerhand auf dem Autodach zum Haus der Seemanns gefahren wurde und schmuckbehangen verblüffend weihnachtlich aussah.

Am Sonntag dann Helmuts 77. Geburtstag: Zur Feier des Tages wurde ein Ausflug zur Laguna Angostura unternommen, es gab trucha a la plancha und einiges mehr.

Nach einer kleinen Wanderung entlang eines alten Schienenweges traf die Reisegruppe auf einen Staudamm, die mexikanische Ingenieure vor rund 100 Jahren errichtet hatten und der sich mittlerweile als Naherholungsgebiet der Einwohner Cochabambas etabliert hatte. Die Kinder purzelten in aufblasbaren Plastikkugeln über das Wasser und es gab knusprig gebackene Schoko-Erdbeeren.

Abends erreichten Adolfo, Sara und Andres aus Santa Cruz nach zwölf Stunden Fahrt Cochabamba und Helmuts Ehrentag wurde gemeinsam mit einem opulenten Essen im nicht nur bei Einheimischen berühmt-berüchtigten „Casa de Campo“ beschlossen.

Feliz Navidad!

31. Dezember 2018

 

„Where are you Christmas?

Why can't I find you?

Why have you gone away?

My world is changing

I'm rearranging

Does that mean Christmas changes, too?

Or just me?“

(Faith Hill/ William Fitzsimmons)

 

So ein Raclette hatte die Welt, zumindest die bolivianische, wohl noch nicht gesehen: Auf dem Grill brutzelten kleine Fleischbällchen, saftiger Schweinespeck und knusprige Kartoffeln, während darunter in den Pfännchen exotische, von Käse überbackene Kompositionen darauf warteten, von den im Umkreis Sitzenden verspeist zu werden. Dazu gab es das beste Bier Boliviens, Champagner aus dem Anden-Hochland und einen Weißwein, der mit Namen „Stellar“ gut gekühlt die Feiergesellschaft buchstäblich in die Sterne blicken sah. Kurzum: Alles war angerichtet für ein amtliches Weihnachtsgelage.

Zur Bescherung mussten die Kinder nach oben verschwinden, während die Erwachsenen die Geschenke unter dem Baum verstauten, der im Wintergarten aufgebaut war. Sobald das obligatorische Geläut ertönte, kamen die beiden heruntergerannt. Lichter blinkten allerorten, die Weihnachts-CD gab ihr bestes („Es schneit, es schneit, kommt alle aus dem Haus!“) und irgendwie war dann doch Weihnachten – trotz der gefühlten 30 Grad im Schatten.

Dann wurden reihum die Präsente ausgepackt, was locker zwei Stunden dauerte, aber dennoch nie langweilig wurde. Oma Sara twitterte alles in Echtzeit nach Santa Cruz, wo der Rest der bolivianischen Familie alles mitverfolgte. Rundherum ein gelungener Weihnachtsabend – ohne Lieder, auch die traditionelle Geschichte von Oma Regina wurde ausgelassen, aber con mucho amor ...

Am ersten Weihnachtstag kamen dann Miriams Cousine Yamile und deren Familie zu uns. Es gab lasagne a la nonna aus dem Gasofen (oben leicht dunkelbraun, innen flüssig), die Jungs spielten Fußball in der Toreinfahrt und am Ende des Tages sanken alle ganz erfüllt von so viel Weihnachtsromantik in die Kissen.

Am zweiten Weihnachtstag standen dann im weiteren Sinne Jesus und Konsorten auf dem Programm: In der Nähe von Cochabamba gibt es einen heiligen Ort, gewidmet der Virgen María de Urkupiña, wo zum Jahrestag der wundersamen Erscheinung der Jungfrau Maria im August Tausende von Pilger erscheinen, um ein Stück von ihrem Glanz zu erhaschen. Zu Weihnachten war dort eher wenig los und Adolfo und Sara nahmen Regina mit auf eine Reise zu jenem Ort. Mittags fuhr die bolivianische Bagage dann wieder zurück nach Santa Cruz und den zurückgebliebenen Seemännern und Regenhardts blieb nichts anderes übrig, als das Weihnachtsfest geruhsam bei einem Reste-Essen im Wohnzimmer zu beschließen.

Am darauffolgenden Tag dann der tränenreiche Abschied, denn Opa Helmut und Oma Regina traten ihre Rückreise nach Deutschland an. Von den ursprünglich vier prall gepackten Koffern musste einer als leere Attrappe die Rückreise antreten. Als am Flughafen von Cochabamba eigentlich alles gesagt war, kam Helmut aus dem Sicherheitsbereich dann doch noch einmal zurück zu den winkenden Seemännern: Er hatte dummerweise sein Schweizer Taschenmesser ins Handgepäck getan – so was aber auch. Doch kein Problem: Daniel sollte eine Woche später ohnehin nach Deutschland reisen. So waren die guten Klingen gerettet – doch nur für den Moment.

Kommentare: 7
  • #7

    Doris Pfeiffer (Dienstag, 20 August 2019 23:40)

    Kommentar

  • #6

    Regina und Helmut (Samstag, 09 März 2019 11:39)

    Mit großer Freude haben wir den Bericht über unseren Besuch im Dezember 2018 in Cocha gelesen.Für uns werden es unvergeßliche Tage bleiben, gefüllt mit Harmonie, Zuwendung und viel Lachen. Und das Ganze mit einem prachtvoll geschmückten "Tannenbaum" bei 30 Grad. Vielen Dank für die schöne gemeinsame Zeit. Regina und Helmut

  • #5

    Gaby (Mittwoch, 08 August 2018 11:38)

    Lieber Daniel,
    ich hab mich total über deinen Bericht, gefreut, Danke!! Schön zu wissen, dass es dir und deiner Familie gut geht und ihr anscheinend angekommen seid in euerer neuen Heimat. So viele interessante Erlebnisse werdet ihr nie wieder vergessen.
    Liebe Grüße aus Hamburg

  • #4

    Regina und Helmut (Mittwoch, 18 Juli 2018 18:55)

    Welch ein aufregender und positiver Bericht! So erhalten wir einen guten Eindruck von Eurem bolivianischen Leben. Keine Frage: Wir kommen!!!

  • #3

    Nadine (Mittwoch, 18 Juli 2018 08:23)

    Hey ihr Lieben, DANKE. Das ist ein schöner Bericht und ich geniesse es euch an den unterschiedlichen Orten miteinander und mit all den lieben Menschen zu sehen. Es ist fast wie ein klein bisschen Teilhaben dürfen und ein Gespür zu bekommen wo ihr jetzt seid und wie es euch geht. Ich denke an euch. Nadine

  • #2

    Luise (Dienstag, 17 Juli 2018 21:09)

    Sehr spannend und informativ geschrieben, teilweise war ich während des Lesens mit euch unterwegs. Ihr seit zwar einige Kilometer von uns entfernt, doch im Herzen ganz nah bei uns.

  • #1

    Robert (Dienstag, 17 Juli 2018 18:04)

    Da habt ihr ja in weniger als sechs Monaten so viel erlebt das man staunen kann!!! Was für eine Freude Leonies und Lukas lächeln zu sehen...sie scheinen sich gut eingelebt zu haben.