Es geht los ...

1. Februar 2018

 

Großer Bahnhof : Abschied in Hamburg. Und dann der Schreckensmoment beim Betreten des Fliegers nach Amsterdam: Daniels Gitarre hatte keinen Sitzplatz gebucht. Wie blöd von ihr. Aber wenn du denkst, da geht nichts mehr, öffnet sich von irgendwo ein Türchen her: Der Pilot kommt aus dem Cockpit. Pilot: "You like to rock?" Daniel: "Well, nevermind!" Und flugs verschwindet der Himmelsbezwinger mit dem guten Stück, nicht ohne sich noch einmal zur Kabine umzudrehen: "Don't worry, I will not scrub it before we reach the clouds!" Gejohle. Beifall. Vorhang. Abflug.

Cochabamba mi amor

5. Februar 2018

 

Cochabamba. ApartHotel Regina - zu Gast bei der Königin. Eigene Wohnung, zwei Schlafzimmer, zwei Bäder. Zehn Tage Frühstück bei laufendem Fernseher mit weißem Quietschkäse und rosa Wurst. Ein farbenfroher Anfang, eine Woche vor Karnevalsbeginn. Sortieren, ablegen, wiederaufnehmen, was in Deutschland liegengeblieben war.

Um die Ecke eine Englisch-Sprachschule für Leonie und Luka. Die Lehrerin Valquiria hat einige Jahre in Osnabrück gelebt - das passt doch. Finden jedenfalls die Kids. Riesen-Eisdielen mit Riesen-Rutschen heben die Stimmung. Oma Sara kommt aus Santa Cruz eingeflogen. Sie verwöhnt die Kinder, während wir stundenlang bei Anwälten sitzen, Möbel einkaufen, Internet- und Handyverträge abschliessen und Termine in der neuen Schule von Leonie und Luka absolvieren. Das Hotel Regina hat zufällig auch ein Fünf-Sterne-Ressort in der Nähe der Stadt. Dort tauchten wir dann ermattet ein in eine andere Welt ...

Ein neues Zuhause

12. Februar 2018

 

Am Ende der ersten Woche in Cochabamba haben wir den Mietvertrag in der Tasche. Ceci, Andres und Alejandro (Miriams Geschwister und der Schwager ihrer Schwester) kommen für ein Wochenende aus Santa Cruz und helfen dabei, die in einem Sozialprojekt im Gefängnis von Cochabamba fabrizierten Betten aufzubauen und das Haus einmal komplett zu putzen. Wäsche gewaschen wird zunächst bei Miriams Cousine Yamile, die praktischerweise um die Ecke wohntDann hält es auch Miriams Vater Adolfo nicht mehr aus, setzt sich in Santa Cruz ins Auto, fährt zehn Stunden durch die Anden und überrascht uns in Cochabamba. Das erste Schachspiel-Match mit Luka konnte beginnen. Als alle Gäste abgereist waren, bekamen wir ungebetenen Besuch von drei Skorpionen, die sich im Gästeklo häuslich einrichten wollten. Miriam nahm sich ihrer an und servierte ihnen bolivianische Giftkügelchen zum Abendbrot - zu ihrem Nachteil naschten davon auch zahlreiche Kellerasseln und Spinnen.

Die ersten "bloqueos" finden statt - in Bolivien kein unübliches Event: Straßen werden gesperrt und es gibt kein Durchkommen mehr.

In Cochabamba regnet es so viel wie in den letzten zwei Jahren nicht mehr. In einer Nachbargemeinde gibt es Erdrutsche und Tote. Der Weg zur Schule wird dadurch unpassierbar, der Karnevalsumzug aufgrund des Unglücks um zwei Wochen verschoben.

Dann fängt auch noch Miriams neue Arbeit an. Wenig Zeit zum Luftholen. Immer wieder Nieselregen, obwohl die Regenzeit im Februar offiziell vorbei ist und der trockene Winter beginnt - La Niña treibt ihr Unwesen. Kommt gut durch den Restwinter - der Sommer war groß. Jedenfalls hier in Südamerika, wie man hörte. Bald ist er also auch bei euch. Ganz bestimmt.

La Cancha

19. Februar 2018

 

Unser Haus in Cochabamba nimmt langsam Gestalt an. Zum Glück haben wir "La Cancha" in der Stadt: Der größte Markt Boliviens, Südamerikas, wenn nicht der Welt (sagen die Cochabambinos jedenfalls, wie sich die Einwohner von Cocha nennen) hält alles bereit, was das Herz erfreut. Bunte Lampen, hölzerne Tischwuchten, breite Wohnzimmerlandschaften. Ein Wermutstropfen bleibt: Die Luftfracht aus Hamburg mit 300 Kilogramm Habseligkeiten lässt auf sich warten. Hängt fest im Zoll, weil was mit den Namen nicht stimmt - angeblich. Unsere erste Bekanntschaft mit den bolivianischen Behörden lässt sich nicht gerade gut an.

Und dann kam Luise ...

26. Februar 2018

 

Die Vorfreude war groß, der Koffer ist voller Überraschungen: Oma Luise kommt aus Deutschland nach Cochabamba geflogen. Highlight: Deutsche Aufbackbrötchen. Mit dem Bus fährt sie ins Zentrum und bringt die Kinder zur Sprachschule, nächtelang werden Schulmaterialien beschriftet.

Dann der große Tag: Leonie und Luka gehen zum ersten Mal in ihre neue Schule. Erst wird die bolivianische, dann die amerikanische Nationalhymne gesungen. Der Schulhof bietet drei Fußballplätze und einen Swimming-Pool. Sogar eine Krankenstation ist eingerichtet. Überflüssig? Mitnichten: Schon am ersten Tag ist Luka dort gleich zwei Mal zu Gast - Nasenbluten und Fußballunfall.

Miss Alejandra und Miss Nuit heißen die Lehrerinnen von Luka und Leonie. Sie könnten herzlicher nicht sein. Damit ist die größte Aufregung für die Kinder vorbei und der Schulanfang geschafft. Von nun an kommt jeden Morgen der Schulbus und holt beide von zu Hause ab.

Sucre - Liebe auf den zweiten Blick

26. Februar 2018

 

Erste Arbeitswoche für Daniel in Sucre. Zum ersten Mal seit zehn Jahren ist er wieder vor Ort, nur jetzt gefühlt mehr Menschen, Verkehr und Abgase. Hotel Posada, Zimmer 209. Blick vom Bett über die Dächer der Stadt. Die Leute vom Radio sind okay, die Stadt entpuppt sich als Touri- und Studenten-Hotspot. Das Café Metro ist der Place-To-Be. Ein Fenster zeigt auf den Plaza Principal - Sushi und Salat vom Feinsten, ohne Amöben. Daniels neuer Frisör sagt: "Let's make it rock!" Im Hintergrund läuft Metallica. Und so sieht der Seemann hinterher auch aus ...

Auf dem Berg

5. März 2018

 

Daniels Chef Bela ist da. Straight outta Berlin-City. Pünktlich zu Miriams Geburtstag reitet er in Sucre ein. Daniel scheint an die Stadt gebunden wie einst Odysseus an seinen Mast. Sorpresa: Miriam, Luise, Leonie und Luka machen sich in geheimer Mission auf nach Sucre. Teambuilding mit Daddy. Nicht so bei den Friedensfachkräften: Da machen (fast) alle schlapp - die Grippe. Kurzentschlossen wagen sich Bela und drei Getreue auf den Berg neben der Stadt. Ein kleiner Triumph. Auf einem steinernen Sockel thront im Hintergrund der metallene Jesus. Überall werden Opfergaben verbrannt. Der Boden ist übersät mit Tierknochen, katholische Kerzen leuchten und eine BMX-Sprungschanze weist ins Niemandsland. Synkretismus à la Boliviana.

Im Süden

12. März 2018

 

Daniel macht sich auf in den Süden, um die regionalen Ableger seines Radiosenders ACLO zu besuchen - in den Chaco. Dort reiten die Cowboys, Steppengras rollt in großen Knäueln durch die Halbwüste und es ist klebrig-heiß. Aber zum Glück ist Winteranfang, die Temperaturen erreichen nur 35 Grad im Schatten. Argentinien ist einen Steinwurf entfernt - doch Obacht! Daniel hat noch keine Aufenthaltsgenehmigung und darf Bolivien nicht verlassen! Einige wagemutige Journalisten-Kollegen wagen sich vor, überschreiten die Grenze. Doch sie sollen es bereuen: Der bolivianische Grenzposten verneint bei ihrer Rückkehr, dass sie jemals ausgereist seien! Ist ja auch verdammt heiß, da kann man sich nicht jedes Gesicht merken. Hinterher lachen alle über die Szene und essen ein Steak zusammen. Nun kann sie nichts mehr auseinanderbringen, meint Mario, Daniels Compagnon. Ojala!

4.000 Meter über Normalnull

19. März 2018

 

"Die Hitze, der Staub. Die Stille und die Weite, das Klare und das Tiefe, das Dunstige und das Heimliche, die Sonne, der Regen, die Stadt, der See, der Berg. Es war stockdunkel, nicht einmal ein Zipfel vom Mond war zu sehen, die Straßen waren leer, und dementsprechend war alles hergerichtet für ein lichtscheues Gesindel." (Der Trafikant, Robert Seethaler) 

 

Miriam ist auf Dienstreise, irgendwo mittendrin in La Paz - auf Augenhöhe mit dem Illimani, dem schneebedeckten Dach der bolivianischen Welt. Währenddessen fliegt Daniel auf gleiche Höhe nach Potosí zum Antrittsbesuch bei weiteren Radiokollegen. Der Versuch, mit der gefühlt hauchdünnen Luft klarzukommen, scheitert kläglich. Da hilft nur Sorojchi, ein Medikamentencocktail aus Schmerzmittel, Magen-Darm-Tranquilizer, Koffein und einem Hauch von Koka.

Der Migrantenkönig

26. März 2018

 

"Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich abends Rosen gieße." (International Music)

 

Schon über einen Monat dauert die Tortur, die bereits in Cochabamba begann: Ämter, Behörden, Polizeistationen sind die Welt, die Daniels Alltag bestimmen. Das hehre Ziel: Eine Aufenthaltsgenehmigung. Unfreundliche Beamten allerorten, auch bei der Drogenpolizei. Doch Daniel ist sauber. Dann die Schlüsselszene: Der Bittsteller erreicht mit den geforderten Nachweisen seiner Existenz den Behörden-Hof des Migrantenkönigs. Doch das Wetter schlägt um, jäh zucken Blitze über das Firmament, alles scheint anders als noch anderntags. Der König hat es sich anders überlegt: Plötzlich ist dieses tramite noch zu erbringen, jene Kopie noch zu erstellen. Und wieder wandelt Daniel auf Sucres Straßen, von Notar : zu : Notar, von Anwalt : zu : Anwalt. Erneut erscheint er bei Hofe, wie aus dem Nichts die Frage nach dem Familienstand. "Verheiratet!", die ehrliche Antwort. Der Migrantenkönig beugt sich langsam knatschend auf seinem Ledersessel nach vorn: "Dann bräuchten wir noch eine von der bolivianischen Botschaft in Deutschland beglaubigte Kopie der Original-Heiratsurkunde. Kriegen Sie das hin? Oder sind Sie doch Single?" Na gut. Ein Hahn kräht. Was ist die Ehe? Die Ehe ist nichts. Jedenfalls nach bolivianischem Recht. Der König grinst und unterschreibt die Aufenthaltsgenehmigung.

Eiersuche, Wunderkisten und ein Auto

2. April 2018

 

Das Osterwochenende ist voller Überraschungen. Miriams Vater Adolfo und seine Frau Sara sind aus Santa Cruz zu Gast in Cochabamba. Das Gipfeltreffen mit Luise läuft geräuschlos, aber durchaus emotional im Hintergrund ab.

Ein junger Bolivianer mit seinem Vater fährt vor: Unter ihm ein Suzuki Grand Vitara, mit Rückfahrkamera, silbernen Chromtüröffnern und integriertem DVD-Player. Was man halt so braucht auf langen Autofahrten durch den Dschungel. Gekauft, das Ding. Kostet ja hier alles nichts.

Dann steht ein Riesenlaster vor der Tür: Die Luftfracht! Interessant, was wir so alles an überlebenswichtigen Dingen eingepackt haben. Highlights: Daniels Hängematte, Miriams Moskitonetz, Leonies Literatursammlung und Lukas Tischfußball. Dann die glorreiche Idee: Unsere bolivianischen Gäste verstecken die Ostereier. Einige wurden bis heute nicht gefunden.

Luise viene, Luise se va

9. April 2018

 

Die eine kommt, die andere geht: Luise ist nach sechs Wochen bei uns wieder zurück nach Deutschland gereist. Und hinterlässt eine schmerzliche Lücke. Vertraute, Kleine-Seelen-Heilerin, 1A-Köchin, "La Cancha"-Begleiterin, so viele Attribute. Einen Tag vor ihrer Abreise erschien dann Valquiria wieder auf der Bildfläche und wurde Leonies und Lukas neue Hausaufgaben-Unterstützerin. Denn die gibt es hier jeden Tag - trotz Ganztagsschule. Aber bei gleich vier neuen Sprachen - Englisch, Spanisch, Quechua und Mandarin-Chinesisch - mehr als Gold wert. Doch wenn beide morgens mit einem Lächeln in den Schulbus steigen, ist jeder Gedanke über allen Zweifeln erhaben. Und dann der Hammer: Luka wird als "Student of the Month" ausgezeichnet. Es kann nur einen geben ...

Führerschein à la Boliviana

16. April 2018

 

"Ich wurde rausgeworfen, in hohem Bogen.
Ich wurde angespuckt und ich wurde belogen. Ihr könnt euch nicht vorstellen,
wie mir geschah. Mir wurde übel mitgespielt, doch ich bin immer noch da.
Ich bin nicht unten. Ich bin nicht verschwunden. Denn man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen." (Superpunk)

 

25 Jahre Autofahren ohne einen einzigen Zwischenfall - so liest sich Daniels Bilanz der deutschen Rennpisten (bis vielleicht auf den Moment im Stau auf dem Weg zur Fusion, als alle unbedingt über das Feld neben der Autobahn laufen mussten, um sich am Waldrand zu erleichtern, Daniel im Kleintransporter der Evangelischen Kirchengemeinde Neukölln auf dem Seitenstreifen wartete und anschließend in einem kleinen Dorf in eine Radarfalle fuhr, weil zu spät dran und - aber das ist eine andere Geschichte). 

Doch in Bolivien zählt das nicht viel. Will man hier Autofahren, dann wird alles noch einmal auf Anfang gestellt: Theorieunterricht und -prüfung ("Erklären Sie den Unterschied zwischen einer Landstraße, einer Überlandstraße und einer internationalen Verbindungsstraße!" - auf Spanisch) und abschließend - die Praxis. Hier muss man traditionell sein eigenes Auto zur Fahrprüfung mitbringen oder man leiht sich eins für ein paar Pesos. Daniel hatte just zwei Tage zuvor das neue Projektauto erhalten - einen Toyota Hilux, "El Monstro" genannt. Fünf Meter lang, zwei Meter breit und Pferdestärken für ein ganzes Kavallerie-Regiment.

Super Idee, damit zur Prüfung zu fahren. Im Einzelnen: Bergan-Fahren, Bergab-Fahren, rückwärts Einparken bei einem Neigungswinkel von gefühlten 45° - und da hörte es dann auch schon auf. Einparken geschafft, aber das Ausparken "sin chocar" - also ohne die Begrenzungsschilder zu berühren, die rund um das Fahrzeug aufgebaut worden waren - ein Ding der Unmöglichkeit. Schon machte es "PONG!". Durchgefallen.

Drei Tage später - zweiter Versuch. Diesmal mit einem Suzuki Jimmy. Der kleinste Jeep unter der Sonne Boliviens. Im Einzelnen: Wie oben, dann erfolgreich ausgeparkt, und plötzlich: "Ahora Zigge-Zagge!" rief der Diensthabende. Im Klartext: Extrem eng aufgestellte, neonorangene Hütchen umkurven. Gesagt, getan. Und dann schnell mit dem bolivianischen Lappen in der Tasche auf und davon.

Ein Besuch im Regenwald

23. April 2018

 

Von Cochabamba führt eine vielbefahrene Straße durch die Berge nach Santa Cruz. Das Besondere: Eine rasante Fahrt von über 3.000 Metern Höhe in die heißfeuchten Lowlands, wo sich Rinderherden die Bäuche mit saftigem Gras vollschlagen und die Drogenschmuggler ihr Unwesen treiben. Hier, im beschaulichen Urwald-Städtchen Villa Tunari, liegt die Dschungel-Lodge "Selva El Puente", wo wir für ein Wochenende eingekehrt sind. Kleine Hütten, lose um einen erfrischenden Pool gruppiert, sind dort der Startpunkt für kurze Wanderungen Richtung Fluss, der sich in der Regenzeit wild schäumend seinen Weg durchs Gehölz bahnt. Glücklicherweise war Trockenzeit und kleine, natürlich entstandene Badeplätze mitten im Nichts unter dem sanft rauschenden Blätterdach luden zum Verweilen ein. Während Luka und Daniel auf Flusswanderung entschwanden, chillten Miriam und Leonie am Fluss unter der sonnendurchfluteten Üppigkeit des Regenwalds, umgarnt von mannigfaltig bunten Schmetterlingen. Das einzig Nervige waren die mikroskopisch kleinen Stechmücken, die nachts durch die Fliegengitter in die Bungalows hereinschwirrten. Aber ein bisschen Leid war bei so viel Schönheit durchaus seinen Schmerz wert.

Familienbesuch in Santa Cruz

30. April 2018

 

Auf zur Familie in die größte Stadt Boliviens - Santa Cruz. Ein permanent drohender Verkehrsinfarkt. Blinkende Neonlichtfassaden neben in den Abflusskanälen lebenden Menschen. Gaukler und Autoscheibenputzer an den Kreuzungen. Neben dem obligatorischen Grillfest auf der Terrasse standen ein Nachmittag im Pool des nahegelegenen Tennisklubs inkl. finnischer Sauna und römischem Dampfbad bei 30 Grad Außentemperatur (man kommt aus dem Schwitzen gar nicht mehr raus), ein Ausflug an den nahen Fluss Pirai und eine Fahrt im Buggy in die Sanddünen. Dort angekommen bestand die einzige Unterhaltung darin, gemächlich die mitgebrachten Kühlboxen zu leeren, mit den Hunden durch den Sand zu jagen und natürlich mit Highspeed über die Ebene zu heizen. Ein Spaß für Groß und Klein. Abends dann noch ein Kurzbesuch in einen Hinterhof zu den Food Trucks der Stadt: An einem Stand wurde ein Hamburger mit einer 800-Gramm-Bulette angeboten - der Deal: Wer den Burger schafft, bekommt das Geld zurück. Die Verdauungsprobleme gibt es gratis dazu.

Easy Rider durch die Berge

7. Mai 2018

 

Eigentlich ging es nur um ein Gasfeld, Hunderte Kilometer entfernt von Sucre. Doch die Sucrenser waren sauer, fühlten sich um die Erlöse betrogen, weil die Gasvorkommen an der Grenze zum nächsten Bundesstaat (Santa Cruz) liegen und festgestellt wurde, dass die Grenzen zum Bundesstaat Chuquisaca (dessen "Landeshauptstadt" Sucre ist) eigentlich gar nicht so genau festgelegt sind. Und das schon seit ewig. Naja, hinterher weiß man immer mehr. Nichtsdestotrotz war Protest angesagt. Und das bedeutet in Bolivien immer "Heraus zum Bloqueo!". Im Klartext: Schulen und Geschäfte geschlossen, alle Straßenkreuzungen mit Fahrzeugen und brennenden Autoreifen blockiert, eine Schulklasse nach der anderen zieht mit Tschingderassabum-Marching-Band durch die Häuserreihen, überall gewaltbereite Gruppen angetüdelter Männer, die den Gouverneur (Äquivalent zum deutschen Ministerpräsidenten) durch die Straßen trieben und fast steinigten. Geschehen unmittelbar vor Daniels Haustür.

Also alles nicht so witzig irgendwie. In so einer Situation werden auch mal die Lebensmittel knapp - und wer zur Arbeit geht, kriegt 'nen Knüppel auf den Sack! Gute Gründe also, die Stadt zu verlassen, doch die war komplett abgeriegelt - keiner kam raus, und niemand und nichts wieder rein.

Doch da traten die Motorradjungs von Daniels Radiostation auf den Plan. Drei Stunden Fahrt durch alte Flussbetten, über aus nichts weiter als grob behauenen Steinen bestehenden Wegen, bergauf, bergab, und das ganze ohne Helm. Irgendwie am Flughafen, rein in den Flieger und als einer der letzten rausgekommen - kurze Zeit später wurde der Flugbetrieb eingestellt. Erst zwei Wochen später sollte sich die Lage wieder beruhigen ...

 

Ein Champion, Zeugnisse und ein Abstieg

14. Mai 2018

 

Kaum war die Morgenröte über die Bergkämme rund um Cochabamba gekrochen, stiegen schon die ersten Luftschlangen in den Himmel und Luftballons zappelten durch die Luft: Luka feierte seinen achten Geburtstag und auf verschlungenen Pfaden angekommene Geschenke aus aller Welt wurden ausgepackt.

Wenige Tage später die ersten Zeugnisse der Kinder in unserer neuen Welt: Leonie holte aus dem Stand die Bronzemedaille in ihrer Klasse, Luka mit den besten Benotungen seit dem Anfang seiner Grundschulzeit. Ein astreiner Siegeszug durch die Instanzen sozusagen. Vor allen Dingen die Ergebnisse in Mandarin-Chinesisch - beeindruckend. Zunzhòng!

Am Wochenende dann alles zwischen himmelhochjauchzend-zutodebetrübt: Luka schoss acht Tore beim ersten Spiel seiner neuen Mannschaft. Fast zeitgleich rutschte der HSV zum ersten Mal eine Etage tiefer. Am Ende löste sich alles im Chaos von Lukas Geburtstagsfeier auf, zu der er nach guter alter bolivianischer Tradition seine gesamte Klasse eingeladen hatte. Ins erste Jump House Boliviens - inklusive Eltern, die ihre Kinder auch in der zweiten Klasse noch nicht alleine lassen können. Aber irgendwie hatten alle ihren Spaß, vor allen Dingen Luka - und das war in dieser Woche eigentlich die Hauptsache.

 

Chile, La Paz und Oma Sara

21. Mai 2018

 

Weltpremiere in Cochabamba: Abuelita Sara wird eingeflogen, um ALLEINE auf Leonie und Luka aufzupassen. Der Grund: Daniel auf Dienstreise in La Paz, Miriam zum Konferenzbesuch in Chile. Während die Eltern sich also höhenkrank durch trägerübergreifende Länder-Workshops und NGO-Meetings quälten (Daniel) oder wenn nicht gerade in Meetings sitzend durch Shopping Malls und Karaoke-Bars tingelnd (Miriam) ihre Zeit verbrachten, hatten die Kids eine entspannte Zeit mit Omi. Die kann lecker kochen und drückt auch beim zehnten Naschi noch ein Auge zu. Lustig die Vorstellung, wie sich die Drei ohne eine gemeinsame Sprachbasis anscheinend so gut verständigten, dass Daniel und Miriam nicht wirklich groß vermisst wurden. Bei den Popcorn-Mengen, die Sara in unserer Küche produzierte, kein Wunder. Denn Zucker macht glücklich - das war schon immer so und wird sich wohl auch niemals ändern ...

Rückkehr nach Sucre

28. Mai 2018

 

Als blaugestreifter Gringo-Dinosaurier fällt man im Stadtbild von Sucre auf, vor allen Dingen nach einem Bloqueo, der eigentlich nichts eingebracht hat außer jeden Tag Marschmusik und viel Lärm um Nichts. Aber nach kurzer Zeit dann geht alles wieder seinen normalen Gang: Daniel geht mit seiner Lieblingskollegin Britta zum Lieblingsitaliener, der Kaffee läuft wieder frisch gemahlen durch die Maschine, die Bank hat wieder Geld und das schon fast vermisste Verkehrschaos lullt den zur Arbeit strebenden Jungmann ein wie eine warme Decke aus Stickoxiden und anderem Zeug.

Schwenk auf Cochabamba: Zwar ist der Muttertag erst am Sonntag, aber da hat die Schule zu, und daher wird er einfach am Freitag vorgefeiert. Diesbezüglich ist man hier sehr flexibel. Schon Wochen zuvor wurden alte Hemden gesammelt, Musikinstrumente auf Linie gebracht, das Catering einbestellt. Und dann der große Tag: Alle Mütter (und Väter, die Bock hatten) versammelten sich auf dem Schulcampus zum "Dia de la Madre", lauschten diversen einstudierten Tanz- und Gesangsdarbietungen, die Cheerleader hatten ihren Auftritt und jeder hatte etwas Essbares mitgebracht. Es war weise, sich kurz nach dem letzten Ton der Show sofort an das Buffet ranzuschmeißen - sonst drohten Wartezeiten von bis zu einer Stunde, nur um dann die Reste einzusammeln. Das war schon damals bei Studentenpartys scheiße. Die Wenigsten haben daraus gelernt. Wir schon.

 

Tarija, Chillout und NOlympia

4. Juni 2018

 

Daniels Auftakt-Journalisten-Workshop in Tarija. Der Stadt des Weins. Abgestiegen im "Hotel del Vino" wurde das Treffen ein voller Erfolg.

Zurück in Cochabamba dann der gloriose Tipp, doch eine der vielen Öko-Touristen-Lodges auszuprobieren. Gesagt, getan. Ein Pool, ein Fußballfeld, ein Restaurant. Tischtennis, die obligatorische Outdoor-Sauna. Wie herrlich ist es doch, an einem katholischen Feiertag die Beine hochzulegen, obwohl man aus dem Norden kommt. "Fronleichnam" ist einfach super - was immer das auch heißt. Auf jeden Fall hatten die Seemänner dadurch einen entspannten Tag und das lange Wochenende bot sich quasi wie von selbst an.

Dann das nächste Heighlight: Die Südamerika-Olympiade in Cochabamba, quasi vor der Haustür. Der Masterplan: Alles mitnehmen, was geht. Basketball in Quillacollo. Springreiten. Wasserski an der Laguna Angostura. Oder das Bodybuilding-Finale im Grand Hotel Cochabamba. Tja, so viele Optionen. Leider war durch das Radrennen die halbe Stadt gesperrt, man kam also nirgendwo hin. Aber immerhin eine Möglichkeit wurde genutzt: Am Freitagabend stieg das große Fußball-Finale. Argentinien gegen Bolivien - der Klassiker. U23 at its best. Daniel und Luka mittenmang auf der Pressetribüne. Bei der bolivianischen Nationalhymne kannte Luka alle Strophen. Vorwurfsvolle Blicke - Daniel muss da wohl nochmal ran. Umgarnt von argentinischen Beach-Volleyball-Spielerinnen genossen die beiden das Unentschieden. So geruhsam, so gemütlich.

 

Für Peter (ruhe sanft, Pate von Bönningstedt):

"Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt

Sagt die Welt, dass er zu früh geht.

Wenn ein Mensch lange Zeit lebt

Sagt die Welt, es ist Zeit.

Meine Freundin ist schön.

Als ich aufstand, ist sie gegangen.

Weck sie nicht, bis sie sich regt.

Ich hab' mich in ihren Schatten gelegt.

Jegliches hat seine Zeit,

Steine sammeln, Steine zerstreu'n,

Bäume pflanzen, Bäume abhau'n,

Leben und sterben und Streit."

 

(Puhdys)

Cochabamba Campeon!

11. Juni 2018

 

"Knie kaputt, Frisur ist scheiße, die besten Jahre sind vorbei." (International Music)

 

So oder ähnlich fühlte sich Daniel, als er an einem kalten Wintertag aus dem Barbiersalon seines Vertrauens in Sucre heraustorkelte. Sein Stammfrisör Didi - Großvater aus Kroatien und er selbst deutschaffin - hatte sich krankgemeldet. Aber es musste sein, das Haupthaar leckte schon melodramatisch am Ohrläppchen, da half auch die dickste Pomade nicht mehr. Doch Didis Kollege hatte einen schlechten Tag erwischt und schnitt sich die Seele aus dem Leib - mit desaströsem Ergebnis. Als clownesker Hitler-Hipster-Verschnitt auf die Straße geworfen musste Daniel damit klarkommen, sich im Spiegel nicht mehr wiederzuerkennen und trotzdem professionell seiner Arbeit nachzugehen - eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.

Doch ein Abend im Nationalstadion von Sucre sollte alles ins Relative verkehren. Nachdem "The Strongest" aus La Paz den Lokalmatadoren "Wilstermann" aus Cochabamba zuerst geschlagen und dann im Rückspiel selbst eine empfindliche Niederlage einstecken musste, wurde das dritte Saisonfinale der nationalen Fußballmeisterschaft in die Hauptstadt verlegt. Und Daniel mittendrin. Zusammen mit einigen wenigen Getreuen aus dem Radiosender ging es Richtung Stadion. Karten waren schon vorher besorgt worden - nützte aber nichts. Die Schlange vor dem Eingang war vier Häuserblocks lang - und das eine Stunde vor Spielbeginn.

Dann plötzlich Böllerschüsse und schwer bewaffnete Spezialkommandos der Policia Nacional auf gepanzerten Pickups: Die Ultras von Wilstermann waren im Anmarsch. Lustige Typen, die gerne zu Trommel- und Trompetenmusik tanzen und singen und sich selbstironisch "Gurkas" nennen.

Das Spiel war dann an Dramatik nicht zu überbieten: Zweimal ging Cochabamba in Führung, zweimal glich La Paz aus, dann ging es ohne Verlängerung direkt ins Elfmeterschießen. Nachdem jeder Elfmeter entweder gehalten wurde oder drüber hinwegflog dann die Entscheidung mit dem 14. Schützen: Nach acht Jahren konnte Cochabamba endlich wieder eine Meisterschaft feiern. Ganz großes Tennis. Der vor dem Spiel flugs gekaufte Schal sollte noch seine Verwendung finden.

Zahnlose Tiger

18. Juni 2018

 

Seit Kurzem haben wir eine neue Mitbewohnerin: Sie heißt Minka und ist zwei Monate alt. Zum Einstand kackte sie erst einmal galant auf den Flokkati-Teppich im Gästezimmer. Sie hatte Magenprobleme, meinte jedenfalls die Tierärztin, die für die Kleine eine Pflegefamilie gesucht hatte. Nach überstandener Reis-Thunfisch-Diät wurde Minka dann auch ganz schnell stubenrein und ist mittlerweile aus unserer Familie nicht mehr wegzudenken.

Die Woche ging verheißungsvoll weiter: Pünktlich, kurz nach Daniels Geburtstag und nach langem Hin- und Hergeruckel gab er endlich nach und fiel heraus - Lukas Schneidezahn! Spät die Zähne zu verlieren bedeutet später ein festes Gebiss - hatte uns unsere Hamburger Zahnärztin noch mit auf den Weg gegeben. Und der Zahnfee fiel nichts Besseres ein, als Luka einen Wilstermann-Schal unter das Kopfkissen zu legen. Auch wenn er nicht mehr wirklich an dieses Fabelwesen glaubt - stolz war er trotzdem. Plötzlich begannen auch bei Leonie die Zähne wieder zu wackeln - das muss ansteckend sein.

Auch abseits der Zahnleisten stand alles im Zeichen des Fußballs - die WM war auch in Bolivien Thema allerorts. Und zwischendurch Daniels erstes Spiel mit seiner neuen Mannschaft der American International School of Bolivia (AISB), der Schule von Leonie und Luka. Im Sturm der CEO von Unilever Bolivia, auf der Sechs der chilenische Konsul und ansonsten eine Vielzahl an hochmotivierten bolivianischen Dribbelkünstlern. Als Trikotgeber wurde die Argentinische Nationalmannschaft ausgewählt. Von wegen WM und so. Zuerst ging es ausgerechnet gegen Island - eine lustige Truppe dickbäuchiger kleiner Männer, die Daniel irgendwie an Mexikaner erinnerten. Die wurden locker 2:0 abgeledert, Daniel als Außenverteidiger, immer wieder mit gefährlichen Sprints nach vorne, leider ohne durchschlagenden Torerfolg. Doch das Schmunzeln über die Tequila-Jungs sollte ihm am nächsten Tag im Halse stecken bleiben: Das Haus war zum ersten Mal bis zum Rand gefüllt mit lieben Menschen aus Cochabamba und Umgebung, doch Deutschland verlor das WM-Auftaktspiel gegen Mexiko. Schön war das nicht. Aber wie SPIEGEL ONLINE so treffend in der Spielanalyse schrieb: "Keine Aufregung: Deutschland ist immer noch Weltmeister." Na dann.

Neujahrsfest und ein Jubiläum

25. Juni 2018

 

Der Ort hieß Lomitz, er lag irgendwo im Nirgendwo im Wendland. Ein alter Bauernhof mit Liebeseiche, Feldern, Heuschober, großem Festsaal und rund 150 Gästen, die 2008 aus aller Welt gekommen waren, um uns beim Ja-Wort beizuwohnen.

Zehn Jahre später: Ortstermin beim besten Italiener der Stadt. Ein Traum in grün-weiß-rot. Das Menu exzellent, der Service wie in Capri am Hafen, wenn die rote Sonne im Meer versinkt. Und zum Abschluss ein Foto wie zu besten Italienurlaubs-Zeiten. Was will man mehr? Ihr habt gefehlt.

Der 21. Juni - für uns und auch ganz offiziell in Bolivien ein Schicksalstag. Die Aymara, ein indigenes Volk, das im Andenraum auf dem Altiplano in Bolivien, im Süden Perus und im Norden Chiles lebt, feiert an diesem Tag. Was bei uns die Sommersonnenwende ist (auch "Weiße Nacht" genannt - unser Hochzeitsmotto), wird hier als Beginn des Neuen Jahres gefeiert. Ein staatlicher Feiertag für das ganze Land.

Und darüber hinaus ging es um die Argentinische Nationalmannschaft. Welch ein Drama. Wir waren eingeladen, bei der Familie des CEO aus Daniels Fußballmannschaft. Argentinien verlor bekanntlich 0:3 - die Stimmung war denkbar scheiße. Aber wir hatten anlässlich unseres Hochzeits-Jubiläums genug Schampus dabei, um erste Irritationen in dieser bis dato noch so jungen und zerbrechlichen deutsch-argentinischen Freundschaft zu konsolidieren.

Kommentare: 7
  • #7

    Doris Pfeiffer (Dienstag, 20 August 2019 23:40)

    Kommentar

  • #6

    Regina und Helmut (Samstag, 09 März 2019 11:39)

    Mit großer Freude haben wir den Bericht über unseren Besuch im Dezember 2018 in Cocha gelesen.Für uns werden es unvergeßliche Tage bleiben, gefüllt mit Harmonie, Zuwendung und viel Lachen. Und das Ganze mit einem prachtvoll geschmückten "Tannenbaum" bei 30 Grad. Vielen Dank für die schöne gemeinsame Zeit. Regina und Helmut

  • #5

    Gaby (Mittwoch, 08 August 2018 11:38)

    Lieber Daniel,
    ich hab mich total über deinen Bericht, gefreut, Danke!! Schön zu wissen, dass es dir und deiner Familie gut geht und ihr anscheinend angekommen seid in euerer neuen Heimat. So viele interessante Erlebnisse werdet ihr nie wieder vergessen.
    Liebe Grüße aus Hamburg

  • #4

    Regina und Helmut (Mittwoch, 18 Juli 2018 18:55)

    Welch ein aufregender und positiver Bericht! So erhalten wir einen guten Eindruck von Eurem bolivianischen Leben. Keine Frage: Wir kommen!!!

  • #3

    Nadine (Mittwoch, 18 Juli 2018 08:23)

    Hey ihr Lieben, DANKE. Das ist ein schöner Bericht und ich geniesse es euch an den unterschiedlichen Orten miteinander und mit all den lieben Menschen zu sehen. Es ist fast wie ein klein bisschen Teilhaben dürfen und ein Gespür zu bekommen wo ihr jetzt seid und wie es euch geht. Ich denke an euch. Nadine

  • #2

    Luise (Dienstag, 17 Juli 2018 21:09)

    Sehr spannend und informativ geschrieben, teilweise war ich während des Lesens mit euch unterwegs. Ihr seit zwar einige Kilometer von uns entfernt, doch im Herzen ganz nah bei uns.

  • #1

    Robert (Dienstag, 17 Juli 2018 18:04)

    Da habt ihr ja in weniger als sechs Monaten so viel erlebt das man staunen kann!!! Was für eine Freude Leonies und Lukas lächeln zu sehen...sie scheinen sich gut eingelebt zu haben.